PKK-Oberkommandeur Murat Karayilan während einer Presseerklärung
PKK-Oberkommandeur Murat Karayilan während einer Presseerklärung

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[M]it ungewohnt scharfer und direkter Kritik hat sich Murat Karayilan, Oberkommandeur des PKK-Militärflügels HPG, bezüglich der südkurdischen Politik und Berichterstattung zu Wort gemeldet. Karayilan drohte in einer Presseerklärung damit, die kämpfenden PKK-Einheiten in Südkurdistan, etwa in Kirkuk, Mexmûr und Shingal, zurückzuziehen, sollte die südkurdische Regierung sowie die von ihr weitestgehend kontrollierte Medienlandschaft weiterhin die Beteiligung der PKK-Kämpfer „verleugnen“, so Karayilan wörtlich.

Trotz der „historischen Tage für die Geschichte Kurdistans“ und dem „gemeinsamen Kampf der kurdischen Streitkräfte gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS)“, verleugnen die südkurdischen Medien sowie die Regierung die „Bemühungen der Guerillia und nivellieren sie“, erklärt Karayilan. In der Berichterstattung herrsche eine „Zensur“, sofern es um die Aktivitäten der PKK-Einheiten geht. Dieses Verhalten werde die Führung der HPG respektive der PKK nicht akzeptieren. Man „diskutiere in der Führung daher über einen möglichen Rückzug der Einheiten, sollte die südkurdische Regierung sich diesem Missstand nicht annehmen und ihn beheben“, erklärt Karayilan vor Pressevertretern.

Droht ein Rückzug der PKK-Kämpfer? Nein.

Weder Karayilan noch die übrige HPG-Führung wird ernsthaft einen Rückzug ihrer Einheiten in Betracht ziehen. Die Mentalität und Ideologie der PKK jedenfalls lässt einen solchen Schritt nicht befürchten. Die Ankündigung ist dennoch nicht als leere Drohung zu verstehen: Die erfahrenen PKK-Kämpfer nehmen im Kampf gegen die IS-Terrormiliz Schlüsselfunktionen ein, so etwa in Shingal, wo Einheiten der PKK zusammen mit êzîdîschen Kämpfern fast im Alleingang in den besetzten Stadtkern Shingals vorrücken. Die Differenzen, so Karayilan, behindern den gemeinsamen Kampf gegen den IS. Trotz der Opfer, die die PKK-Einheiten etwa in Kirkuk an der Seite der Peshmerga bringen, wird versucht die Aktivitäten der PKK abzustreiten. Mit der Ankündigung versucht Karayilan die südkurdische Regierung zum Handeln zu bewegen und ihr zu verdeutlichen, dass bei der PKK-Führung die Grenze der Zumutbarkeit erreicht ist. Denn auch für die Peshmerga sind die PKK-Kämpfer in gewissen Gebieten unverzichtbar.

Dass sich die politischen Auseinandersetzungen auch in der Praxis negativ auf den Kampf gegen die Terrormiliz IS auswirken, zeigt das Beispiel Shingal: Noch immer sind rund 80% der Stadt unter der Kontrolle des IS, trotz hohem Peshmerga-Aufgebot. Die südkurdische Regierungspartei PDK befürchtet einen wachsenden Einfluss der PKK in Shingal und versucht dem nun entgegenzuwirken. So soll nun z.B. eine Parlamentsvertretung in Shingal errichtet werden.

Mediale Entgleisungen kein Einzelfall: Evidente Lügen und Dämonisierung

Karayilan beschuldigt die Medien, die der Demokratischen Partei Kurdistans (kurd. PDK) nahestehen bzw. von ihr finanziert werden, die PKK und ihren militärischen Flügel HPG zu dämonisieren. Die Liste der Entgleisungen südkurdischer PDK-naher Medien ist schier unendlich: So verglich man die PKK etwa mit der Terrormiliz IS, ihren syrischen Ableger, die YPG, mit der nordkoreanischen Diktatur unter Kim Jong-un. Auch vor offensichtlich haarsträubenden Vergleichen schreckten sie nicht zurück. Ein Kommentator der kurdischen Nachrichtenagentur Rûdaw macht die PKK mitverantwortlich für PEGIDA. In Shingal versuche die PKK ihre Politik, das „Werk des Bösen„, den Êzîden unterzujubeln, illustriert Rûdaw mit einer Karikatur. Die kurdische Nachrichtenagentur BasNews, ebenfalls eine PDK-nahe Nachrichtenagentur, behauptete, PKK-Kämpfer hätten Geld von êzîdîschen Flüchtlingen erpresst, um sie vom Irak nach Syrien oder in die Türkei zu schleusen. Die Behauptung entsprachen nicht der Wahrheit, BasNews entfernte den Beitrag nach heftiger Kritik schließlich von der Webseite. Weiterhin beschuldigte BasNews die YPG, den Bau eines medizinischen Zentrums in Shingal zu verhindern. Êzîdîsche Widerstandskämpfer bestritten genannte Behauptung auf Nachfrage von ÊzîdîPress.

Ähnliche Entgleisungen sucht man bei PKK-nahen Medien vergeblich.

Karayilan krisitierte zudem das Fehlen einer gemeinsamen Befehlsstruktur innerhalb der PKK-Einheiten und der Peshmerga. Trotz gemeinsamen Kampfes gegen die IS-Terrormiliz, existiere noch immer kein „gemeinsamer militärischer Rat“, so Karayilan. „Die Peshmerga und Guerillia kämpfen Seite an Seite, die Befehlshaber jedoch sind nicht kollektiv“, führt Karayilan aus. Um gegen die Terrormiliz IS erfolgreich zu kämpfen, sei eine gemeinsame „Strategie und Taktik“ unentbehrlich. Die defensive Haltung gegenüber der Terrormiliz könne nicht zum Erfolg führen. „Noch bevor der IS angreife, müssen wir sie angreifen“, warnt Karayilan.

© ÊzîdîPress, 8. Februar 2015