Shingal. In der Shingal-Region im Nordirak wurde am Freitagmorgen ein êzîdîscher Parteivorsitzender von Peshmerga festgenommen. Saleh Adi Khetif, Vorsitzender des „Hauses der Êzîden“ in Shingal, wurde Augenzeugenberichten zufolge von uniformierten und bewaffneten Einheiten der Demokratischen Partei Kurdistans (kurd. PDK) festgenommen und verschleppt. Adi soll vom Dorf Bara aus auf dem Weg in das Shingal-Gebirge gewesen sein, wo seine Familie derzeit lebt. Gegen 10 Uhr Ortszeit dann sei sein Fahrzeug von Peshmerga der PDK angehalten und Adi ohne ersichtlichen Grund in Handschellen abgeführt worden sein, erklärte ein Familienangehöriger gegenüber ÊP. Bei den Peshmerga soll es sich um die sogenannten Rojava-Peshmerga handeln, eine aus syrischen Flüchtlingen bestehende Miliz der PDK, die in Shingal verstärkt gegen nicht PDK-nahe Gruppierungen vorgeht.
Die Partei des 60-jährigen Adi gehört weder der PKK an noch steht sie ihr nahe. Das „Haus der Êzîden“ hat in der Vergangenheit die PDK-geführte kurdische Regierung stark für ihre Politik in Shingal kritisiert. Die Partei ist unabhängig und suchte in der Vergangenheit eher die Nähe zur irakischen Zentralregierung als zur kurdischen Autonomieregion. Die PDK weitet damit ihre Repressionen weiter aus und beginnt wie bereits vor dem Völkermord in Shingal mit willkürlichen Verhaftungen von Kritikern. Befürchtet wird, dass eine ähnliche Situation wie vor dem Völkermord wiederhergestellt werden könnte.
In der Vergangenheit ließ die PDK êzîdîsche Parteifunktionäre in Shingal verhaften, um diese unter Druck zu setzen, wie aus WikiLeaks-Dokumenten hervorgeht. Im Fokus dieser Verhaftungen stehen Personen, die für die Êzîden einen ethno-religiösen Charakter beanspruchen und die Êzîden nicht als Kurden betrachten. Diese waren in Shingal stark vertreten und konnten etwa bei den letzten Wahlen im Jahr 2014 die meisten êzîdîschen Stimmen in Shingal gewinnen. So erhielt der êzîdîsche Parlamentsabgeordnete Haci Gundor (Islah-Partei), der ideologisch dem „Haus der Êzîden“ nahe steht, 9.465 Stimmen und wurde damit direkt als Minderheitenvertreter ins Parlament gewählt. Die êzîdîsche PDK-Abgeordnete Vian Dexil konnte zum Vergleich hingegen nur 5.467 Stimmen auf sich vereinigen. Vertreter der Christen, Êzîden und anderer Minderheiten klagten immer wieder gegen den Druck, den die kurdische Regierung gegen sie ausübe.
Saleh Adi ist in Shingal für seinen Einsatz um die Rechte der Êzîden bekannt. Angehörige und Parteifreunde Adis drohten mit Konsequenzen, sollte die PDK ihn weiter festhalten.
© ÊzîdîPress, 18. März 2017