Shingal (Irak) – Nachdem es den êzîdîschen Widerstandskämpfern in den vergangenen Tagen zunächst gelang IS-Stellungen in Zorava, Duhola und Dugurê auszuschalten und Dutzende Extremisten zu töten, hat der Islamische Staat (IS) nun seine Terrorschergen neu forciert und mit Kämpfern aus Syrien und der Region Anbar verstärkt.
In einer Offensive des IS im Nordwesten Shingals, gelang es den Terroristen das Dorf Gohlbel einzunehmen und zeitweise über 180 êzîdîsche Kämpfer einzukesseln. Kämpfern vor Ort zufolge hatte der IS das Dorf mit dutzenden Extremisten und zahlreichen gepanzerten Humvee Fahrzeuge umstellt. Die êzîdîschen Kämpfern konnten nur mit größter Mühe eine Schneise in den Belagerungsring schlagen und sich so retten. Die Êzîden beklagten erneut den Mangel an schweren, panzerbrechenden Waffen, um sich effektiv gegen die Angriffe des IS verteidigen zu können.
Sowohl den Kämpfern an der Pilgerstätte Sherfedîn als auch den Kämpfern der YBŞ Einheiten ist seit nunmehr einer Woche kaum Nachschub geliefert worden. Ein von den Peshmerga Truppen in Rabia geplanter Vorstoß ist bislang nicht erfolgt. Der Verlust des Dorfes Gohlbel, das sich unweit von Sinune im Norden Shingals befindet, bedeutet eine weitere Belagerung der Nachschubroute. Die irakische Luftwaffe versorgte die êzîdîschen Kämpfer daraufhin selbst per Helikoptern mit Munition und Waffen, nachdem eine erste Waffenlieferung über Erbil nur zur Hälfte an die Êzîden weitergeleitet wurde. Die Waffen der irakischen Streitkräfte seien jedoch falsch montiert worden und mussten von den Kämpfern in Sherfedîn zunächst auseinander- und wieder zusammengebaut werden.
Trotz der Luftschläge der USA steht der absolute Großteil der Region Shingals weiterhin unter der Kontrolle des IS. Am 3. Oktober meldete das US-Verteidigungsministerium Luftschläge gegen IS-Terroristen, wobei lediglich zwei bewaffnete Fahrzeuge ausgeschaltet wurden. Die Luftangriffe erfolgen nur sporadisch und sind dahingehend ineffektiv, als dass sie die êzîdîschen Kämpfer nicht aktiv unterstützen, beklagte der Kommandant der êzîdîschen Verteidigungseinheit Heydar Shesho. Auf die intensivierten Angriffe des IS werden nicht adäquat reagiert, so ein weiterer Kämpfer an der Pilgerstätte Sherfedîn. An vielen Tage erfolge nur ein Luftschlag.
Die US-Kampfjets unterstützen derzeit vor allem den Kampf der Peshmerga in Rabia, wo eine große IS-Einheit gestern ausgeschaltet worden ist, so das US-Verteidigungsministerium. Kurdische Nachrichtenagenturen meldeten zudem erneut schwäre Zusammenstöße im Osten der Grenzstadt.
Eine wirkliche Offensive, um die êzîdîschen Einheiten im Kampf zu unterstützen, fehlt nach wie vor. Weder die kurdische Regierung in Erbil noch Bagdad scheinen derzeit gewillt zu sein, den Êzîden jene Hilfe zukommen zu lassen, die zur Verteidigung und Befreiung Shingals notwendig ist. Die vom Präsidenten der südkurdischen Regierung Mesûd Barzanî angekündigte Offensive ist bislang ebensowenig erfolgt wie die in großen Mengen versprochenen Waffen der irakischen Regierung. Zuvor trafen Vertreter der Êzîden mit Militärs in Bagdad zusammen.
„Wir versuchen uns derzeit selbst zu verteidigen. Unsere Munition neigt sich dem Ende zu und unsere Waffen sind kaum zu gebrauchen. Die USA greifen die Terroristen, die sich in unserer unmittelbaren Nähe befinden, nicht an. Wir sind dazu nicht nicht der Lage, den Panzern des IS haben wir nichts entgegenzusetzen. Ihre Kampfjets fliegen über unsere Köpfe hinweg, ohne uns zu unterstützen. Wir werden uns selbst nicht mehr lange verteidigen können, sollte dieser Zustand anhalten. Anscheinend nimmt man unseren Tod in Kauf“, äußert sich ein Kämpfer der Qasim Shesho Einheit in Sherfedîn telefonisch auf Nachfrage.
êzîdîPress, 05. Okt. 2014