Bagdad (Irak) – Nachdem der Ministerpräsident der kurdischen Autonomiebehörde Neçirvan Barzanî (PDK) angekündigt hatte, eine Peshmerga Kaserne in Shingal errichten zu lassen, regt sich in der Zentralregierung in Bagdad heftiger Widerstand. Zu dem geplanten Vorhaben sei die Autonomieregierung nicht „befugt“, erklärte der irakische Minister Abdul Salem Al-Maliki der arabischen Agentur Al-Masalah gegenüber. Das Verhalten der kurdischen Regierung verstößt gegen das Bundesgesetz, heißt es weiter. Die Provinz Ninawa, zu der Shingal gehört, unterstehe dem Gesetz nach unter der Befehlsbefugnis der Zentralregierung, eine „Erweiterung der Einsatzbefugnisse der Peshmerga in Ninawa ist nicht akzeptabel“, erklärt Salem Al-Maliki weiter.
Hintergrund der geplanten Stationierung einer 600 Mann starken Peshmerga Einheit in Shingal sind die zunehmenden Übergriffe radikaler Terroristengruppen auf Êzîden. Mehrere Êzîden wurden binnen einer Woche ermordet, wegen weiteren Morddrohungen flüchteten rund 5.000 Êzîden aus der Grenzregion Rabia im Nordirak. Die êzîdîsche Politikerin und Juristin Viyan Dexîl, Mitglied im irakischen Parlament, reiste daraufhin zum kurdischen Ministerpräsidenten und bat diesen, der Forderung der Êzîden nachzukommen. Die zur Verteidigung der Êzîden in Shingal geplante Peshmerga Einheit soll aus 600 êzîdîschen Soldaten bestehen, die derzeit als Peshmerga andernorts stationiert sind.
Der irakische Ausschuss für innere Sicherheit erklärte, die Bildung eines Peshmerga Regiments in Shingal sei „verfassungswidrig“. Zeitgleich droht der Innenausschuss, dass die Stationierung zu einer „folgenreichen Entwicklung“ in der Region führen würde. Dies meldete die Ur-News Agentur unter Berufung auf Regierungskreise. Die kurdische Regierung hat hierzu bisher keine Stellung genommen. Auch nicht, ob sie an ihrem Vorhaben weiterhin festhalten möchte. Evident verfassungswidrig sind auch Teile des neuen Wahlgesetzes, das für Êzîden nur einen kompensatorischen Parlamentssitz vorsieht. Hierzu schwieg der Innenausschuss jedoch, weil das Gesetz die großen Parteien bevorzugte.
Damit wird die Sicherheit der Êzîden wieder zum politischen Machtspiel zwischen Bagdad und Erbîl. Die Region Shingal ist umstrittenes Gebiet, und wird sowohl von der kurdischen Autonomieregierung als auch von der irakischen Zentralregierung beansprucht. Über den Status der Region soll die Bevölkerung in einem Referendum selbst entscheiden. Der entsprechende Art. 140 wurde jedoch aus politischen Gründen bis heute nicht ratifiziert.
Sollte die kurdische Regierung dem Druck aus Bagdad nachgeben und keine Peshmerga Einheit nach Shingal entsenden, werden die Êzîden sich auf das von der kurdischen Freiheitsbewegung KCK gegebene Versprechen berufen. Sollte die KCK tatsächlich eine Verteidigungseinheit nach Shingal entsenden, wird dies weder Bagdad noch Erbîl entgehen. Die Situation droht dann vollends zu eskalieren, weil weder die kurdische noch die irakische Regierung die Präsenz der KCK-Verteidigungseinheiten akzeptieren und als widerrechtlichen Eingriff in der von ihnen behaupteten territorialen Integrität verstehen würden.
Unterdessen haben erneut hunderte Êzîden in Shingal gegen den Terror demonstriert. Die derzeit herrschende Atmosphäre erinnert an das für Êzîden schwarze Jahr 2007, als am 14. August bei mehreren Selbstmordattentaten rund 800 Êzîden getötet und über 1.500 teilweise schwer verletzt worden sind. Auch damals intensivierten die Islamisten im Vorfeld ihre Angriffe auf Êzîden.
êzîdîPress, 14.05.2014