CarsemaSor2016
Lalish. Mit Zeremonien und Feierlichkeiten haben Êzîden weltweit ihr Neujahr begrüßt. Bereits am Vorabend des Neujahres haben die êzîdîschen Gemeinschaften etwa in Georgien und Armenien sowie in den USA und Kanada mit Zeremonien in das neue Jahr eingeläutet. Das êzîdîsche Neujahr, Roter Mittwoch (Çarşema Sor) genannt, findet am ersten Mittwoch nach julianischem Kalender im Monat April statt und gehört zu den ältesten Festen der Êzîden und des Nahen Ostens. Es ist zugleich auch das Frühlingsfest, das die von neuem aufblühend Natur einläutet.

Die Hauptfeierlichkeiten finden wie alljährlich am zentralen Heiligtum Lalish im Nordirak, nahe der kurdischen Stadt Duhok, statt. Getrübt wird die Stimmung jedoch durch den Völkermord der Terrormiliz „Islamischer Staat“ an der êzîdîschen Bevölkerung in der Shingal-Region und der anhaltenden Gefangenschaft tausender Frauen und Kinder. Vielerorts wird das Neujahr daher weniger umfangreich als sonst ausfallen, auch am Zentralheiligtum. Dennoch haben auch die êzîdîschen Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern der kurdischen Region im Nordirak bunte Eier sowie Brot hergestellt und gemeinsam in bescheidenen Rahmen das Neujahr begangen.

Am Roten Mittwoch, so heißt es in der êzîdîschen Mythologie, vollendete Gott die Schöpfung der Welt und die ersten Sonnenstrahlen trafen auf die Erde. Das Firmament färbte sich daraufhin rot, woher sich der Name unter anderem herleitet. Die am Neujahr gefärbten Eier erinnern an die Ur-Perle (Dur), aus der das materielle Sein erschaffen wurde. Das Neujahr, für Êzîden stets der erste Tag im April und Jahresbeginn, steht auch im Zeichen des obersten der sieben Erzengel Tawisî Melek, der die Kernlehre der Religion bildet. In diesem Monat findet traditionell keine Hochzeit statt. Auch soll der Boden, Acker und Weiden, nicht bewirtschaftet werden, damit die Natur sich erholen kann. Die am Roten Mittwoch von Würdenträgern verteilten Frühlingsarmbänder (Bazinbar) sind ein bei Êzîden oft zu sehendes Symbol.

Zahlreiche Bräuche sind mit dem êzîdîschen Neujahr verbunden, das enge Parallelen mit dem babylonischen Akitu-Neujahrsfest aufweist. In Lalish entzünden die Êzîden am Abend tausende von heiligen Lichter, Çira genannt, mit denen sie das Neujahr in Empfang nehmen. In Deutschland organisieren zumeist Vereine die Feierlichkeiten, wo sich die Êzîden zusammenfinden und gemeinsam feiern.

© ÊzîdîPress, 20. April 2016