Stadtverwaltung will keine Erlaubnisse ausstellen und sieht Aufenthaltsgenehmigung gefährdet
Im Rahmen eines EU-Aufnahmeprogramm sind vor fünf Jahren 2500 Menschen aus dem Irak in die Bundesrepublik gekommen, die vor Gewalt und Unsicherheit in ihrer Heimat in die Nachbarländer Jordanien und Syrien geflüchtet waren. Neben Mitgliedern der christlichen Minderheit im Irak waren dies auch kurdische Yezidinnen und Yeziden, von denen eine kleinere Gruppe letztlich in Celle ihre neue Heimat fand. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist dauerhaft gesichert. Allerdings besteht eine Rechtsunsicherheit bei der Frage, ob sie zum zentralen Heiligtum der Yeziden in Lalish (Nordirak) reisen dürfen oder ob sie damit ihre Aufenthaltserlaubnis gefährden?
In Celle hat sich das Ratsmitglied Behiye Uca (Die Linke) deshalb an die Stadtverwaltung gewand und um eine verbindliche Auskunft zu dieser Frage gebeten.
Sie fragt:
In der Stadt Celle leben ezidische Kurdinnen und Kurden aus dem Irak. Ihr Aufenthaltsstatus beruht auf § 23.2 sowie § 25.2 AufenthG. Für diese Gruppe gibt es eine Rechtsunsicherheit bezüglich der Reisemöglichkeit zum zentralen Heiligtum der Eziden am Grabe des Scheichs Adi in Lalish (Nordirak). Eine solche „Pilgerreise“ gehört zum Bestand der religiösen Riten.
Deshalb fragen wir die Verwaltung:
Erlaubt der beschriebene Status nach dem AufenthG eine zeitlich begrenzte Reise des betreffenden Personenkreises nach Lalish?
Ist es richtig, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 23.2 einen dauerhaften Verbleib in Deutschland ermöglichen soll und insoweit ein vorübergehender Aufenthalt im Irak unschädlich ist?
Kann die Verwaltung dem betreffenden Personenkreis diese Auskunft auf Anfrage personenbezogen mitteilen?
Eine Antwort der Stadtverwaltung war leider ernüchternd:
„Personen, die einen Aufenthaltsstatus gem. § 23 Abs. 2 und § 25 Abs. 2 AufenthG besitzen, sind durch das Bundesamt für Migration als Flüchtlinge im Asylverfahren oder durch Weisung des Bundesministerium des Inneren als Flüchtlinge anerkannt worden. Diesem Personenkreis wird zugesprochen, dass ihnen gem. § 3 AsylVfG in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie als Staatenlose ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, die in § 60 Abs. 1 AufenthG bezeichnete Gefahren drohen. Gem. § 60 Abs. 1 AufenthG sind folgende Gefahren genannt: Bedrohung des Lebens oder der Freiheit, wegen Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung.
Die angefragten Aufenthaltstitel schließen daher eine Reise in den Irak aus, da dort genau die in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Gefahren drohen.
Es können daher auch aus Fürsorgepflicht für den betreffenden Personenkreis keine Erlaubnisse für eine Reise in den Irak ausgestellt werden, wenn angenommen werden muss, dass die Gefahren immer noch drohen. Des Weiteren ist zu bedenken, dass eine Reise in den Irak möglicherweise Anlass bieten kann, den anerkannten Flüchtlingsstatus und die daraufhin erteilte Aufenthaltsgenehmigung zu widerrufen. Eine gefahrlos durchgeführte Reise in den Irak wäre jedenfalls ein starkes Indiz dafür, dass die ursprünglich angenommen Gefahren anscheinend nicht mehr vorliegen.
Selbst der Flüchtlingsrat Niedersachsen führt dazu folgendes aus: »Eine Reise in Ihr Herkunftsland sollten Sie sich als in Deutschland anerkannter Flüchtling gut überlegen, auch wenn Ihnen dies dringend notwendig oder momentan wenig gefährlich erscheint. Sie wurden anerkannt, weil Sie in Ihrer Heimat Verfolgung befürchten müssen. Erfahren die Behörden von Ihrer Heimreise, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Widerrufsverfahren eingeleitet, weil Sie offenbar selbst nicht mehr befürchten, verfolgt zu werden. Dann verlieren Sie Ihren Flüchtlingsstatus. Ob Sie dann Ihr Aufenthaltsrecht für Deutschland behalten, ist ungewiss. Sie dürfen sich auch nicht Ihren nationalen Reisepass verlängern oder neu erteilen lassen. Es droht dann die Gefahr, dass Ihre Flüchtlingsanerkennung erlischt.«
Ein vorübergehender Aufenthalt im Irak ist somit auch nicht als unschädlich anzusehen und kann zu Konsequenzen im Bereich des jeweiligen Aufenthaltstitels führen. Die Verwaltung ist jederzeit dazu bereit, dem Personenkreis weiter Auskünfte auf Anfragen zu erteilen.“
Die Celler Stadtverwaltung vertritt also kurzgefasst die Auffassung, dass für den angefragten Personenkreis keine Erlaubnisse für eine Reise in den Irak ausgestellt werden kann und dass eine solche Reise möglicherweise Anlass bieten könnte, den anerkannten Flüchtlingsstatus und die daraufhin erteilte Aufenthaltsgenehmigung zu widerrufen.
Behiye Uca hat sich daraufhin noch an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewandt, eine Antwort steht noch aus.
Behiye Uca ist als erste yezidische Abgeordnete im Jahr 2011 in den Celler Stadtrat gewählt worden, sie ist seitdem auch Mitglied des Kreistags. Ihre politischen Schwerpunkte liegen bei der Interessenwahrnehmung für Menschen mit geringem Einkommen (Hartz IV) und der Verbesserung der Integrationschancen von Migratinnen und Migranten. Mehr Infos über ihre Arbeit finden sich unter www.linke-bsg.de