Im Irak werden sich in Zukunft zwei neue êzîdîsche Parteien zur Wahl aufstellen
Im Irak werden sich in Zukunft zwei neue êzîdîsche Parteien zur Wahl stellen


Sinunê. Die Êzîden im Irak werden in Zukunft unter anderem von zwei neu gegründeten êzîdîschen Parteien vertreten. Die irakische Komission akzeptierte gestern die Eintragung der „Êzîdîschen Partei für Freiheit und Demokratie“ (PADÊ). Am 6. März diesen Jahres wurde bereits die „Demokratische Partei der Êzîden“ (PÊD) offiziell von der Wahlkommission registriert und zu den allgemeinen Wahlen im Irak zugelassen.

Logo der Demokratischen Partei der Êzîden
Logo der Demokratischen Partei der Êzîden

Die PÊD wurde vom êzîdîschen Oberkommandeur Heydar Shesho gegründet, der die êzîdîsche Verteidigungskraft Êzîdxans (HPÊ) befehligt. Shesho besuchte vor Gründung der Partei zahlreiche Exil-Gemeinden in Europa und im Kaukasus, um innerhalb der Êzîden Unterstützung für das Vorhaben zu gewinnen. Ihr erstes Büro hat die PÊD in der kurdischen Stadt Silêmanî eröffnet.

Bei der PADÊ handelt es sich um eine von der TEVDA gegründeten Partei, einer Bewegung die der êzîdîschen Widerstandseinheit YBŞ angehört. Auch die PADÊ hat angekündigt, Büros sowohl in Shingal als auch in Regionen der Autonomen Region Kurdistan gründen zu wollen.

Beide Parteien werden bei zukünftigen Wahlen um die Stimmen der Êzîden werben. Im Fokus steht vor allem die Region Shingal, die bis zum Völkermord der Terrormiliz „Islamischer Staat“ hauptsächlich von Êzîden bewohnt war und für die Region Ninawa von großer Bedeutung ist. Wahlberechtigt waren in Shingal bei den vergangenen Wahlen rund 200.000 Êzîden. Die Parteien erhoffen sich bei einer Rückkehr der Êzîden gleich mehrere êzîdîsche Abgeordnete in das irakische Parlament entsenden zu können und so den Êzîden mehr politisches Mitspracherecht zu ermöglichen.

Die Shingal-Region gehört nach Artikel 140 der irakischen Verfassung zu den sogenannten umstrittenen Gebieten zwischen der kurdischen Autonomieregion und dem irakischen Zentralstaat. Ein entscheidendes Referendum wurde aber aufgrund politischer Spannungen seit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung nie durchgeführt. Shingal gehört zu den ärmsten und unterentwickeltsten Regionen im Irak. Schuld daran seien sowohl die kurdische als auch die irakische Regierung, die nie Verantwortung für die Region übernommen hätten, erklärte Heydar Shesho. Auch deshalb sei der Völkermord an den Êzîden möglich gewesen, so Shesho weiter. Mit den neuen Parteien erhoffen sich insbesondere die Êzîden aus Shingal eine Emanzipierung von den etablierten Parteien, um so selbst politische Entscheidungen treffen und beeinflussen zu können, die ihr Heimatgebiet betreffen.

Logo der Partei für Freiheit und Demokratie der Êzîden
Logo der Partei für Freiheit und Demokratie der Êzîden

Bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2014 kam es aufgrund der hohen Zahl der êzîdîschen Kandidaten (73), die für kurdische Parteien angetreten waren, zu einem enormen Stimmensplitting und damit zum Einbruch von sieben auf nunmehr zwei Parlamentssitze, von denen ein Sitz aufgrund der kompensatorischen Minderheitenquote vergeben wurde. Von den Stimmen der Êzîden profitierten die Listen der kurdischen Parteien in der Region Ninawa, von denen lediglich Vian Dakhil den Einzug ins Parlament schaffte (5467 Stimmen).

Wie sich die zwei neugegründeten êzîdîschen Parteien letztlich inhaltlich und ideologisch voneinander unterscheiden, wird sich bei den kommenden Wahlen zeigen. Größter Streitpunkt wird wohl der zukünftige Status der Region bleiben. Heydar Shesho machte in der Vergangenheit deutlich, dass er die Zukunft der Shingal-Region innerhalb der Autonomen Region Kurdistan sieht. Ob die PADÊ sich diesem Vorschlag anschließen oder doch einen Verbleib im irakischen Zentralverbund anstrebt, ist bisher unklar und wird wohl auch von der Entscheidung der kurdischen Autonomieregierung abhängen. Diese versprach, Shingal zu einer neuen Provinz mit eigener Selbstverwaltung zu erheben. Dominiert wurde die Shingal-Region bisher von der PDK-Partei des kurdischen Präsidenten Massoud Barzani, die nach dem Völkermord viel Zustimmung verloren hat.

© ÊzîdîPress, 01. Mai 2017