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[S]hingal. Seit dem der Norden der Region Shingal von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ Mitte Dezember zurückerobert werden konnte, stoßen Widerstandskämpfer auf immer mehr Massengräber und Überreste von Leichen. Êzîdîsche Widerstandskämpfer entdeckten gestern auf einer Patrouille erneut Überreste zweier getöteter Êzîden, die anhand ihrer traditionellen Kleidung identifiziert werden konnten.
Die Überreste, fast vollkommen verwest, wurden entlang der syrisch-irakischen Grenze im Norden der Kleinstadt Khanasor gefunden, wie ein Kämpfer mitteilte. „Überall, in der gesamten Region liegen Überreste von Leichen, wir finden fast täglich weitere Opfer der IS-Barbaren“, erklärt einer der Kämpfer. Erst kürzlich wurde nahe Khanasor ein Massengrab mit über 25 Opfern der Terrormiliz aufgefunden. In der Kleinstadt lebten rund 40.000 Menschen.
Die Terrormiliz IS überrannte am 3. August 2014 die Shingal-Region im Nord-Irak, massakrierte die Zivilbevölkerung und zwangen hunderttausende zur Flucht. Wer es nicht mehr rechtzeitig in die sicheren Gebiete der Region Kurdistan schaffte, suchte Schutz im nahegelegenen Gebirge. Zehntausende Menschen, schätzungsweise rund 80.000, konnten sich so vor der Terrorgruppe in das Shingal-Gebirge retten, wo sie ohne Nahrung und Wasser jedoch wochenlang ausharren mussten. Erst eine Intervention der US-amerikanischen Luftstreitkräfte und der Einsatz von Bodentruppen der kurdischen Volksverteidigungseinheit YPG ermöglichte die Errichtung eines Fluchtkorridores. Hunderte Zivilisten starben im Gebirge an Dehydrierung, fehlender medizinischer Versorgung oder vor Erschöpfung. Die in Shingal stationieren über 8.000 Peshmerga-Kämpfer, die die Zivilbevölkerung in Shingal vor der IS-Terrormiliz schützen sollten, flüchteten aus noch immer ungeklärten Gründen.
Einem ersten Bericht der UN nach wurden über 5.000 Êzîden getötet und bis zu 7.000 weitere Frauen und Kinder entführt. Der irakische UN-Botschafter Mohammed Ali al-Hakim erklärte gegenüber dem Sicherheitsrat am Dienstag, die Terrorgruppe IS habe einen Genozid an der Zivilbevölkerung im Irak verübt.
„Diese Terrorgruppe hat alle menschlichen Werte entweiht. Sie haben die schlimmsten, kriminellsten Terrorverbrechen gegen das irakische Volk begangen, ob an Schiiten, Sunniten, Christen, Turkmenen, Schabak oder Yeziden“, erklärte al-Hakim. Al-Hakim fordert, dass sich die internationale Justiz der Verbrechen annimmt.
Der irakische Staat hat jedoch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofes nicht ratifiziert, weswegen auch eine Verfahren zur Anerkennung des Völkermordes an Êzîden von Juristen und Aktivisten bisher nicht eingeleitet werden konnte.
© ÊzîdîPress, 18. Februar 2015