Êzîdîsche Flüchtlinge in Diyarbekir auf dem Weg zu den Bussen, die sie zur bulgarischen Grenze bringen sollen
Êzîdîsche Flüchtlinge in Diyarbekir auf dem Weg zu den Bussen, die sie zur bulgarischen Grenze bringen sollen


Diyarbekir. Tausende êzîdîsche Flüchtlinge in der Türkei befinden sich seit gestern Abend auf dem Weg zur bulgarischen Grenze. Vor allem aus dem Flüchtlingslager in Diyarbekir strömen die Êzîden zu den Bussen, die sie zur Grenze befördern sollen. Hunderte weitere in den Lagern von Batman und Nusaybin wurden bereits gestern von türkischen Sicherheitskräften daran gehindert. In einem von Aktivisten veröffentlichten Schreiben erklären Verantwortliche der Flüchtlinge ihre Beweggründe.

Darin heißt es unter anderem, dass „eine Rückkehr in die Heimat nicht länger eine Option“ sei. Zu groß sei das „Ausmaß des Schadens durch die genozidale Kampagne an unserem Volk“, die keine Rückkehr in die Heimat zulasse. Am 3. August 2014 massakrierten Terroristen des „Islamischen Staats“ über 5.000 Êzîden – viele von ihnen vor den Augen ihrer Angehörigen. Bis zu 7.000 Frauen, Kinder und Mädchen wurden entführt und versklavt. Täglich werden sie vergewaltigt, mehrfach. Die UN-Menschenrechtskommission spricht von Völkermord.

Êzîdîsche Flüchtlinge in Diyarbekir warten auf Busse, die sie zur bulgarischen Grenze bringen sollen
Êzîdîsche Flüchtlinge in Diyarbekir warten auf Busse, die sie zur bulgarischen Grenze bringen sollen


„Zehn Monate sind vergangen, das Schicksal der überwiegenden Mehrheit der Gefangenen ist weiterhin ungewiss. Der „IS“ hat die Häuser der Êzîden geplündert und sakrale Bauten der Êzîden zerstört. Die Absicht des „IS“ ist die vollkommene Vernichtung des êzîdîschen Volkes, seiner Religion und Kultur“, heißt es weiter.

„Der „IS“ handelt mit den êzîdîschen Frauen auf Sklavenmärkten für wenige US-Dollar. Jede êzîdîsche Frau in Syrien und im Irak ist jetzt „Teil“ des Sklaven-Projekts und fürchtet um ihr Leben, jedes êzîdîsches Kind schläft mit der Angst, in die Hände der Terroristen zu fallen und auf einem Sklavenmarkt verkauft zu werden“. Wie realistisch dieses Szenario ist, zeigt ein Ereignis am gestrigen Tage. Über 40 versklavte êzîdîsche Frauen wurden erneut von der Terrormiliz IS in Syrien verkauft.

Êzîdîsche Flüchtlinge in der Türkei; auch diese Mutter und ihre Kinder versuchen auf legalem Weg nach Bulgarien zu kommen
Êzîdîsche Flüchtlinge in der Türkei; auch diese Mutter und ihre Kinder versuchen auf legalem Weg nach Bulgarien zu kommen

Die Aktivisten fordern und rufen die Europäische Union daher auf, die Massenmigration der Êzîden aus Shingal zu dulden. Auf legalem Weg wolle man nun nach Bulgarien und dort aufgenommen werden.

„Die êzîdîschen Kinder verdienen Sicherheit, Bildung, das Streben nach Glück, Freiheit und ein Leben in Würde. Unsere Kinder leben unter harschen Bedingungen, die sich stetig verschlechtern“, heißt es in der Mitteilung weiter.

„Wir hoffen, dass die internationale Gemeinschaft der Verantwortung nachkommt, unsere Gemeinschaft vor dem Aussterben zu retten. Die Meisten unserer Leute haben die Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat verloren; insbesondere angesichts der Sicherheitslage, der politischen und humanitären Herausforderungen in Shingal und der Ninewa-Ebene“, heißt es weiter.

In der Türkei sind rund 30.000 der insgesamt über 400.000 êzîdîschen Flüchtlinge untergekommen. Und selbst aus dem Irak, aus den kurdischen Regionen flüchten monatlich mehrere tausend Êzîden in die Türkei und versuchen von dort aus in die EU zu kommen. Seit dem Völkermord der Terrormiliz IS befindet sich jeder zweite Êzîde auf der Flucht.

© ÊzîdîPress, 27. Juni 2015