Lalish. Der êzîdîsche Geistliche und Würdenträger Feqîr Hecî Fakir Shemo ist gestern am 25. Januar 2019 verstorben. Feqîr Hecî starb im Alter von 93 Jahren im Kreis seiner Familie in der Ortschaft Baadre unweit des Zentralheiligtums Lalish, wo er über 70 Jahre lang als Tempelwächter diente.

Feqîr Hecî
Feqîr Hecî im Alter von 15 Jahren in Lalish (Drower, 1941)

Feqîr Hecî wurde im Jahr 1926 (nach Pîr Dîma) im Dorf Karaba als Sohn des êzîdischen Gelehrten Feqîr Schemo geboren. Einige Jahre nach seiner Geburt zog seine Familie in das Dorf Baadre, dem Sitz des weltlichen Oberhauptes der Êzîden. Bereits als Junge zeigte er großes Interesse für das Êzîdentum und genoss unter Baba Chawish Pir Ilyas, dem Tempelwächter von Lalish und dem bedeutenden Gelehrten Kochek Sadiq aus Baschik, eine Ausbildung. Bereits mit 15 Jahren führte er 1941 die britische Forscherin Ethel Stefana Drower (1879 – 1972) durch das Heiligtum Lalish und andere êzîdische Ortschaften und erklärte ihr Aspekte zur êzîdischen Religion, Feste und Bräuche. Drower veröffentlichte viele Aussagen von Feqîr Hecî und zwei Bilder von ihm ihrem Buch, die Feqîr Hecî als Jungen zeigen. Drower beschrieb ihn als einen „hübschen Burschen mit klaren braunen Augen.“

Feqîr Hecî im Alter von 15 in Lalish (Drower, 1941)

Feqîr Hecî trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde zu einem Gelehrten, einem sogenannten Feqîr. Er besaß außerordentliche Kenntnisse der êzîdischen Religion und beherrschte unzählige sakrale Texte, die verschriftlicht wurden; eine Initiative, die er als einer der ersten Gelehrten unterstütze. Kaum einer der zahlreichen westlichen Wissenschaftler kam bei der Erforschung der êzîdîschen Religion am Wissen Feqîr Hecîs vorbei. Seine Aussagen zur Lehre des Êzîdentums werden bis heute in viele wissenschaftliche Publikationen zitiert. Legendär sind die Rezitationen von Legenden, Hymnen und Gebeten, die die Besucher des Heiligtums oft zu hören bekamen. Zahlreiche dieser Aufnahmen wurden von Verwandten der Familie veröffentlicht.

Feqîr Hecî genoss als einer der wenigen sogenannten „Hüter des Êzîdentums“ großen Respekt innerhalb der êzîdîschen Gemeinschaft. Im Kreise des weltlichen Oberhauptes und dem êzîdîschen Religionsrat in Lalish war er ein wichtiger Entscheidungsträger, dessen Wissen und Erfahrungen stets geschätzt wurden. Mit dem Tod Feqîr Hecîs verlieren die Êzîden nicht nur einen geschätzten Menschen, sondern auch ein lebendiges Buch über ihre Religion.

© ÊzîdîPress, 26. Januar 2019