[S]hingal. Mit weiteren Angriffen auf Stellungen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) haben Einheiten der PKK, Peshmerga und der êzîdîschen Widerstandskämpfer ihre Offensive in Shingal heute fortgesetzt. Nach monatelanger Verteidigung der Pilgerstätte Sherfedîn durch die êzîdîsche Verteidigungseinheit Shingals (HPŞ) sind Peshmerga-Einheiten nun auch bis zur Heiligenstätte vorgerückt und unterstützten die Widerstandskämpfer fortan.
Peshmerga sowie Einheiten der êzîdîschen Verteidgungseinheit Shingals haben mit Angriffen auf die Stadt Shingal im Süden des Gebirges begonnen. Berichte, die von einer vollständigen Befreiung der Stadt sprechen, konnten von ÊP-Korrespondenten zunächst nicht bestätigt werden. IS-Terroristen sollen sich jedoch zunehmend aus der Stadt in südlichere Regionen zurückziehen. Mit schwerer Artillerie attackierten die Peshmerga-Einheiten die Stadt vom Gebirge aus und rücken immer weiter vor. Weitere Offensiven erfolgten nördlich der Pilgerstätte Sherfedîn. Êzîdîsche Widerstandskämpfer und Peshmerga bewegen sich auf die großen Gemeinden Dugure, Duhola, Bork und Sinunê zu. Dem Pressebüro der Peshmerga zufolge soll die Gemeinde Sinunê bereits befreit worden sein, so auch die Gemeinde Gohbel. Luftschläge der Koalitionsstreitkräfte unterstützten den Vormarsch wie bereits in den Tagen zuvor.
Kämpfer der PKK, YPG und YBŞ marschierten im Verlauf des Tages im Nordwesten der Region zur Kleinstadt Khanasor vor, wo Gefechte mit den IS-Terroristen anhalten. Auch hier konnten Berichte, wonach die Stadt Khanasor bereits befreit worden sei, von ÊP-Korrespondenten nicht bestätigt werden. Die Kämpfer der PKK, YPG und YBŞ seien jedoch auf dem Vormarsch und gewinnen stündlich die Oberhand im Kampf um eine der größten Kleinstädte der Region Shingal.
Von Rabiah aus, nördlich der Region Shingal, marschieren die Peshmerga-Einheiten zudem weiter nach Shingal vor, um die IS-Terroristen in einem Zangengriff aufzureiben. Terroristen des IS versuchen über die anliegenden syrische Grenze zu flüchten, werden aber im Westen von PKK-Einheiten abgefangen. Dörfer entlang der Verbindungsstraße von Rabiah nach Shingal sind von Peshmerga-Einheiten befreit worden.
Durch den von den Peshmerga freigekämpften Korridor im Osten des Shingal-Gebirges können die über 9.000 Zivilisten nun vom Gebirge in Sicherheit gebracht werden. Wann genau die Zivilisten in die kurdischen Regionen transportiert werden, ist noch nicht ganz klar. Zuvor muss der Korridor von Minen und anderen Sprengfallen bereinigt und vor Angriffen der Terroristen geschützt werden. Hilfsgüter erreichten auch heute das Gebirge, um die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen.
Offenbar wurden in den befreiten Dörfen in Shingal sowie nahe des Gebirges zudem weitere Massengräber entdeckt. Die kurdische Nachrichtenagentur Rûdaw berichtet von 70 Leichen in zwei Massengräbern, von denen êzîdîschen Flüchtlingen mehrfach berichteten. Es wird vermutet, dass es sich dabei um êzîdîsche Opfer der Terrororganisation handelt.
Die massive Offensive der Peshmerga mit Hilfe der Koalitionsstreitkräfte haben den IS zum Rückzug aus vielen Orten der Shingal-Region gezwungen. Breite Gebiete im Nordosten sowie im Norden der Region Shingal konnten zurückerobert werden sowie großflächige Bereiche zwischen Rabiah und Zumar. Weitere schwere Gefechte werden in den vergangenen Tagen erwartet. Qasim Şeşo, Oberbefehlshaber der êzîdîschen Verteidigungseinheit Shingals, erklärte gegenüber KurdistanTV, dass die IS-Terroristen „ohne zu kämpfen wie Füchse aus den Gemeinden in Shingal flüchten“.
Durch die Einnahme der Region Shingal wird die IS-Hochburg Mosul im Osten flankiert. Noch vor wenigen Wochen erklärten kurdische und irakische Militärs, dass die Rückeroberung Shingals als Prämisse für einen bevorstehende Stürmung Mosuls erachtet wird. Auch, um Versorgungswege des IS zur syrischen Grenze zu unterbinden. Die Befreiung Mosuls obliege aber nicht vorrangig der Verantwortung der kurdischen, sondern der irakischen Streitkräfte, erklärte der südkurdische Präsident Mesûd Barzanî zuletzt.
Die Offensiven der kurdischen Streitkräfte stellen eine nicht unerhebliche Niederlage für den IS dar. Auch die Tötung hochrangiger militärischer IS-Kommandeure scheinen der Terrormiliz schwer zugesetzt zu haben. Sympathisanten verhalten sich jedenfalls in den vergangenen Tagen auffallend ruhig. Êzîden weltweit sind durch den Durchbruch der IS-Belagerung erleichtert, weisen aber auch auf die weiterhin über 5.000 vom IS gefangen gehaltenen Frauen, Kinder und Mädchen hin.
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