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Der türkische Präsident Erdogan droht nun mit einer möglichen Militäraktion in dem êzîdîschen Hauptsiedlungsgebiet Shingal


Shingal. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mit einer möglichen Miltitäraktion türkischer Streitkräfte in der nordirakischen Region Shingal gedroht. Am Dienstag erklärte Erdogan, man werde die bisher in Syrien laufende Operation „Schutzschild Euphrat“ auf den Irak ausweiten, um die Gründung eines „zweiten Kandils“ in Shingal zu verhindern, wie die staatliche Nachrichtenagentur AA mitteilt. In Kandil hat die kurdische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ihren Hauptstützpunkt. Generell werde man eine Präsenz der PKK im Nordirak, etwa in Kirkuk, Mossul, Tal Afar und Shingal, nicht hinnehmen, erklärte Erdogan während einer Märtyrer-Gedenkfeier in Ankara.

„Wir werden die [Schutzschild Euphrat] Operation in Syrien und im Irak fortsetzen, und nun auch in Kirkuk, Mossul, Tal Afar und Shingal. Warum? Shingal steht davor, zum zweiten Kandil [der PKK] zu werden. Wir können nicht erlauben, dass dies in Shingal geschieht, weil die PKK dort ist.“

Bereits im Vorfeld hat die türkische Regierung mit Erlaubnis des nordirakischen Präsidenten der autonomen Kurdenregion Massoud Barzani türkische Streitkräfte in der ebenfalls hauptsächlich von Êzîden bewohnten Gemeinde Bashiqa stationiert. Offiziell heißt es, dass die türkischen Soldaten sunnitische Milizen ausbilden sollen – gegen den Willen des irakischen Zentralstaates. Tatsächlich aber versucht die Türkei ihren Einfluss auf die von ihr seit Jahrzehnten beanspruchte Millionenstadt Mossul auszudehnen. Aber auch, um den zunehmenden Einfluss der PKK zu unterbinden, die von Kandil über Bashiqa bis nach Shingal so über einen breiten Korridor verfügen würde.

Der in Erzfeindschaft zur PKK stehenden PDK-Partei, der Partei Massoud Barzanis, dürfte viel daran liegen, den wachsenden Einfluss der PKK mithilfe der Türkei zu verhindern. In Shingal tobt seit über zwei Jahren ein Machtkampf zwischen beiden Parteien. Die PKK marschierte in Shingal ein, nachdem die Peshmerga-Milizen der PDK aus Shingal flüchteten und die êzîdîsche Zivilbevölkerung den Terroristen des „Islamischen Staates“ überließen. Die Türkei pflegt gute politische und ökonomische Kontakte mit der PDK-Partei Massoud Barzanis, während sie in der Türkei kurdische Dörfer dem Erdboden gleichmacht und in Syrien kurdische Widerstandskämpfer tötet.

Mit wachsender Sorge beobachten die Êzîden, wie auch ihre letzten traditionellen Siedlungsgebiete im Nahen Osten zum Spielball von Parteien und Staaten werden. Neben dem Kampf mit dem anhaltenden Genozid müssen die Êzîden nun mögliche Luftschläge türkischer Kampfjets in ihrem Hauptsiedlungsgebiet befürchten. In Kandil bombardiert die türkische Luftwaffe immer wieder vermeintliche PKK-Ziele, wobei zuletzt mehrere Zivilisten in dem Dorf Zergele getötet wurden.

© ÊzîdîPress, 27. Oktober 2016