In Sherfedîn trafen Kommandeure der HPŞ und der YBŞ zusammen (26. Okt 2015)
In Sherfedîn trafen Kommandeure der HPŞ und der YBŞ zusammen (26. Okt 2015)


Sherfedîn. Die Oberbefehlshaber der êzîdîschen Widerstandseinheiten in Shingal sind gestern im Nordirak zu Gesprächen zusammengekommen. An der Pilgerstätte Sherfedîn diskutierten die Kommandeure der Verteidigungskraft Shingals (HPŞ) unter der Führung von Heydar Shesho und der Widerstandseinheit Shingals (YBŞ) unter der Führung von Sheikh Khalaf Bari die gegenwärtige militärische und politische Situation in der Region. In den vergangenen Tagen verstärkten die kurdischen Streitkräfte der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der Peshmerga in Vorbereitung einer Offensive ihre militärische Präsenz in Shingal. Ein gemeinsames Vorgehen gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ist offenbar jedoch nicht geplant.

Seit Monaten verschärfen sich die politischen Spannungen, die mit der Festnahme des HPŞ-Oberkommandanten Heydar Shesho im April dieses Jahres durch PDK-Sicherheitskräfte nicht zum ersten mal zu eskalieren drohten. Es geht um nicht weniger als um die Zukunft der umstrittenen Region. Befürchtet wird vor allem, dass der politische und damit der territoriale Machtkampf zwischen der Arbeiterpartei Kurdistans (kurd. PKK), die den Westen Shingals kontrolliert und der rivalisierenden Demokratischen Partei Kurdistans (kurd. PDK), die den Norden und Osten dominiert, mit êzîdîschen Kämpfern ausgetragen werden könnte. Während auf Seiten der PDK mehrere tausend êzîdîsche Peshmerga unter Waffen stehen, gehört die YBŞ mit über 1.500 Kämpfern zur PKK. Die HPŞ mit ihren rund 3.000 Kämpfern untersteht zur Hälfte dem Peshmerga-Ministerium und ist zur anderen Hälfte unabhängig.

Erste Anzeichen für eine drohende Eskalation gab es bereits gestern. Peshmerga der PDK blockierten stundenlang die Straße von Syrien nach Shingal, über die PKK- und YPG-Einheiten ihren Nachschub und Verstärkung beziehen. Offenbar um den Zuzug weiterer Kämpfer und damit ein weiteres Erstarken der YPG bzw. der PKK zu stoppen. Im Gegenzug besetzten PKK- und YBŞ-Kämpfer anschließend eine Verbindungsstraße in den Westen Shingals und blockierten so den Weg der PDK-Peshmerga.  Nach Stunden wurden beide Straßen wieder freigegeben.

Um einen Stellvertreterkampf innerhalb der Êzîden vorzubeugen ist daher eine Übereinkunft zwischen allen militärischen Einheiten notwendig. Das Treffen zwischen den HPŞ- und YBŞ-Kommandeuren nährt die Hoffnung auf eine friedliche Lösung im Streit um die Zukunft Shingals und einer Verhinderung inner-êzîdîscher Auseinandersetzungen. HPŞ-Oberkommandeur Heydar Shesho rief alle Parteien auf ihre politischen Differenzen beiseite zu legen und gemeinsam gegen den IS vorzugehen. Zudem sollen die Offensiven der YBŞ und der HPŞ nun abgestimmt werden. Eine entsprechende Stellungnahme der êzîdîschen Einheiten wird in Kürze erwartet.

© ÊzîdîPress, 27. Oktober 2015