Shingal. Nach dem Tod eines kurdischen Muslims in der Region Shingal im Nordirak, hat der Stammesführer des Clans nun Vergeltung gegen die Êzîden angedroht. Unter noch unbekannten Umständen sind am Freitag zwei kurdische Muslime des Gergerî-Stammes in Shingal attackiert worden. Einer der beiden Männer kam ums Leben, ein weiterer wurde verletzt. Heydar Shesho, Oberkommandeur der Verteidigungskraft Êzîdxans (HPÊ), reagierte auf die Drohungen und erklärte, die Êzîden werden sich bei einem Angriff zur Wehr setzen.

Zu den Hintergründen ist derzeit nicht viel bekannt. Kurdische PDK-Medien wie Rûdaw ließen verlautbaren, beide Männer seien innerhalb des von der PKK kontrollierten Gebietes in Shingal, nahe der Kleinstadt Khanasor, angegriffen worden. Die Männer sollen als Händler mit ihrem PKW unterwegs gewesen sein, als auf sie das Feuer eröffnet wurde. Die PKK bestreitet diese Darstellung. Gegenüber ÊzîdîPress erklärte ein êzîdîscher Kommandeur, die Männer hätten sich mit ihrem PKW nahe der syrischen Grenze befunden, ehe sie von PDK-Milizen der sogenannten Rojava-Peshmerga, die die Grenze kontrollieren, angegriffen wurden.

Seit der Präsenz der Rojava-Peshmerga sind in Shingal über 30 Zivilisten getötet worden, viele dieser Tötungen sind bis heute ungeklärt. Diese Morde hätten in der letzten Zeit gegenüber êzîdîschen Zivilisten zugenommen, so der êzîdîsche Kommandant. Möglich wäre daher, dass die Rojava-Peshmerga die beiden Männer für Êzîden gehalten und das Feuer auf sie eröffnet hätten. Bei ähnlichen Vorfällen wurden in der Vergangenheit mehrere Êzîden von Rojava-Peshmerga getötet. Warum sich die beiden Männer in dem Gebiet aufgehalten haben, ist nicht bekannt. Wo sich die Leiche des Getöteten befindet, ist ebenso nicht bekannt. Auf sozialen Netzwerken kursiert ein Bild, das den Getöteten zeigen soll.

Das Bild soll den getöteten Mann zeigen, der dem Stamm der Gergerî angehört. Die Quelle des Bildes ist nicht bekannt.

Ein Stammesführer der Gergerî, Sheikh Massoud Saadoun, drohte den Êzîden daraufhin in einer Fernseherklärung auf WaarTV mit Krieg, sollte die Leiche des getöteten Gergerî-Clanmitglieds nicht an den Clan überführt und das verletzte Stammesmitglied freigelassen werden. Man werde „hunderte Männer bereit stellen“, so Saadoun und fügte hinzu „bei Allah, niemand kann die Êzîden dann noch schützen“. Die Stammesmitglieder der Gergerî seien „alle bereit sich zu opfern“, so der Sheikh weiter.

Heydar Shesho reagierte mit einer Videobotschaft auf die Drohungen des Gergerî-Stammesführers und erklärte, dass der Angriff auf die Gergerî-Stammesmitglieder unter rechtsstaatlichen Kriterien umgehend von den Behörden aufgeklärt werden müsse. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen und vor Gericht gestellt werden. Keiner der êzîdîschen Befehlshaber dulde solche Tötungen. Doch Drohungen sowie Verallgemeinerungen gegen die Êzîden werde man nicht hinnehmen, so Shesho. Dass die Êzîden als Gemeinschaft für die Taten einzelner Personen verantwortlich gemacht werden, zeige die Gesinnung des Stammesführers, die „der Logik des IS“ entspreche. Sollte auf den „Aufruf hin auch nur ein Êzîde getötet oder verletzt werden, werden wir antworten und ihn [Sheikh Saadoun] persönlich vor dem Gesetz verantwortlich machen“, erklärte Shesho. Niemand habe das Recht, ohne Beweise oder Tatsachen, einer gesamten Gemeinschaft zu drohen. Die angegriffenen Männer hätten sich in einem Gebiet aufgehalten, indem weder Êzîden lebten noch êzîdîsche Einheiten Kontrolle ausübten. Das Gebiet gelte als verlassen und unbewohnt.

Die Gergerî sind ein islamisch-kurdischer Stamm, deren Angehörige vor allem in Teilen der Shingal- und Zummar-Region nahe Mossul leben. Teile des Gergerî-Stammes schlossen sich dem „Islamischen Staat“ (IS) an und beteiligten sich unter anderem an dem Völkermord an den Êzîden in Shingal. Dennoch erklärte Shesho, betrachte man den Gergerî-Stamm nicht als Feinde und Sheikh Saadoun nicht als Vertreter der Gergerîs.

Die PDK-Partei entsandte im März diesen Jahres rund 500 bewaffnete Gergerî-Peshmerga nach Shingal, nachdem ein Konflikt mit der PKK zu eskalieren drohte und die êzîdîschen Peshmerga sich weigerten, das Feuer auf êzîdîsche PKK-Einheiten zu eröffnen. Die Êzîden befürchten nach dem Aufruf des Gergerî-Stammesführers, dass sich die Gergerî-Peshmerga in Shingal zu unbegründeten Racheaktionen verleiten lassen.

© ÊzîdîPress, 05. August 2017