Der Produzent Memet Aktaş äußert sich nach der Kritik an seinem Film in einem rassistischen Ton (Vittorio Zunino Celotto/Getty Images Europe)
Der Produzent Memet Aktaş meldet sich nach der Kritik an seinem Film in einem rassistischen Tonfall zu Wort (Vittorio Zunino Celotto/Getty Images Europe)


Hannover. Mit einer skandalösen Stellungnahme hat sich der Produzent des viel kritisierten Filmes „Reşeba“ zu Wort gemeldet. In der kurdischen und eigentlich politisch linksorientierten Zeitung „Yeni Özgür Politika“ äußerte sich Memet Aktaş in nationalistischen Phrasen abfällig und beleidigend über alle jene Êzîden, die seinen Film kritisiert hatten. Dabei griff er sowohl êzîdîsche Organisationen wie Yazda als auch die êzîdîsche Menschenrechtsaktivistin und UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad scharf an, die er als arabische Separatisten zu diffamieren versuchte.

Die Êzîden, die Drahtzieher der Kritik an dem von ihm produzierten Film wären, seien zum einen Murad Ismail als führendes Yazda-Mitglied sowie die sogenannte Islah-Partei, die – so Aktaş – ihre Wurzeln in der arabsich-nationalistischen Baath-Partei von Saddam Hussein habe und viele Jahre lang Saddam Hussein gedient hätte.

Bei Kritik durch Êzîden gegenüber kurdischen Institutionen wird von strammen kurdischen Nationalisten als Erwiderung immer wieder die “Islah-Partei” herangezogen, um die kritisierenden Êzîden als Baathisten zu diffamieren, die sich als Araber betrachteten. Die Islah-Partei ist eine im irakischen Parlament vertretene êzîdîsche Partei, die jedoch erst nach dem Sturz des Saddam-Regimes gegründet wurde und für die Êzîden einen eigenständigen ethno-religiösen Status beansprucht. Tatsächlich spielt die Islah-Partei heute keine aktive und einflussreiche Rolle innerhalb der Êzîden. Da ihre Mitglieder während des Völkermordes massenhaft vom „Islamischen Staat“ massakriert wurden, kann die Partei heute als praktisch nicht mehr existent betrachtet werden.

Aktaş wirft den Êzîden vor, den Film allein auf Grundlage des Trailers bewertet und den Filminhalt falsch wiedergegeben zu haben. Im Film, so Aktaş, sei anders als behauptet das êzîdîsche Mädchen nach ihrer Flucht vom IS nicht getötet worden. Damit will er den Vorwurf ausräumen, dass der Film die êzîdîsche Gesellschaft entgegen den Vorwürfen nicht in ein schlechtes Licht rücke. Richtig ist, dass das Mädchen im Film schlussendlich nicht getötet, aber von êzîdîschen Familienangehörigen als in ihrer Ehre beschmutzt betrachtet wird. In einer Szene, die ursprünglich auch im Trailer zu sehen war, richtet sogar ihr eigener Vater mit eiskaltem Blick eine Pistole auf sie, ringt sich aber schlussendlich dazu, sie nicht zu erschießen. Eine solche vom Produzenten als „wahre Tatsache“ bezeichnete Begebenheit hat es allerdings nicht gegeben – was er wenig später auch zugab und was der tatsächliche Grund der Kritik der Êzîden an seinem Film war und ist. 

Bezeichnend ist, dass Aktaş nicht nur bei der Auseinandersetzung über den Filminhalt bleibt,  sondern versucht, den Kritikern Motive vorzuwerfen, die außerhalb des Streits stehen. In Wahrheit missfalle den êzîdîschen Kritikern allein, dass im Film Reşeba die Êzîden als Kurden dargestellt werden. Damit unterstellt Aktaş den Kritikern Motive, die nichts mit dem Film zu tun haben und die betroffenen Filmszenen nur als Vorwand benutzt würden.

Aktaş attackiert auch Nadia Murad. Er wirft ihr vor, durch den Einfluss von Yazda und der Islah-Partei, auf internationalen Auftritten die arabisch Sprache zu benutzen. Sie “verheimliche ihre kurdische Identität”, und vermeide ebenso das Wort “Kurdistan”. Nadia Murad, so Aktaş, sei also eine willige Marionette arabisch-êzîdîscher Separatisten. Tatsächlich aber bedient sich Nadia Murad in den meisten Interviews ihrer Muttersprache. Aktaş wirft ihr also etwas an sich nicht Verwerfliches vor, obwohl er selbst seine Stellungnahme in türkischer Sprache verfasst hat. Auch eine Verbindung jedweder Art zwischen Yazda, Murad Ismail und Nadia Murad auf der einen Seite und der Islah-Partei auf der anderen Seite besteht nicht. 

In der kurdischen Ausgabe seiner Stellungnahme werden einige der diffamierenden Zeilen bewusst von der YÖP-Redaktion ausgelassen, in der türkischen Fassung – für fast alle Êzîden somit unverständlich – hingegen lässt Aktaş seiner Hetze freien Lauf. Getreu einem Muster, das in den kurdischen Medien des Nordiraks sehr oft zu beobachten ist.

Aktaş bedient sich einer oft verwendeten nationalistischen Strategie, um applaudierende Zustimmung in der kurdischen Öffentlichkeit zu gewinnen, ohne auf den eigentlichen Inhalt einzugehen: Die Gegner seien Türken, Araber und deren Handlanger und damit Verräter des kurdischen Volkes. 

Aktaş bedient damit Ressentiments gegenüber den Êzîden, die immer wieder von nationalistischen und auch islamistischen Kurden im Nordirak herangezogen werden, um die Êzîden anzugreifen – auch mit Gewalt. Der islamistische, kurdische Hassprediger Dr. Abdul Wahid etwa versuchte ebenfalls in einer seiner Predigten die muslimisch-kurdische Bevölkerung gegen die Êzîden aufzuhetzen, indem er behauptete, die Êzîden seien Araber. Aktaş versucht zu unterstellen, dass nur ein kleiner Teil der Êzîden seinen Film kritisiert habe und diese Araber seien, also etwa auch alle Êzîden aus Deutschland und êzîdîsche Peshmerga-Kommandeure wie Qasim Shesho, die den Film ebenso kritisierten. Beide Anschuldigungen sind nachweislich falsch. Über alle Parteigrenzen hinweg haben die Êzîden den Film kritisiert. 

Der Produzent entpuppt sich nicht nur als kritikunfähiger Künstler, sondern offenbart hier seinen subtil-latenten Rassismus, indem er versucht die Êzîden als Araber – und damit seinem Tonfall nach als etwas Verwerfliches – zu diskreditieren. Aktaş übt ebenso einen sprachlichen Rassismus, indem er Nadia Murad zum Vorwurf macht, sich in arabischer Sprache – einer von Aktaş offenbar als verächtlich geltenden Sprache – zu äußeren. Er begibt sich in seiner Stellungnahme damit auf unterstes, offen diffamierendes Niveau, das die Êzîden zu Recht auch in seinem produzierten Film wahrnehmen.

Willkürlich und ohne erkennbaren Anlass auch der Versuch von Aktaş, eine Verbindung zwischen der Kritik an seinem Film und der Islah-Partei herzustellen, was eher an eine Verschwörungstheorie erinnert. Eine Art ezidischer Komplott gegen seinen Film. Ein Vorwurf, der gerne gegen Minderheiten zur Diskriminierung herangezogen wird. Vor allem aber sein haarsträubender Angriff auf die UN-Botschafterin Nadia Murad ist an Torheit kaum zu überbieten. Dass Nadia Murad sich nie zu dem Film geäußert hat, scheint Aktaş nicht weiter zu interessieren. Als Sinnbild des neuen êzîdîschen Selbstbewusstseins scheint Nadia Murad Aktaş ein Dorn im Auge zu sein. Aktaş bedient hier bewusst falsche Vorwürfe von Nationalisten, um Zustimmung für seine Kritik auf die Êzîden zu gewinnen und eine anti-êzîdîsche Stimmung zu erzeugen. 

Sein Angriff auf die UN-Sonderbotschafterin zeugt von der Missachtung und Missgunst gegenüber den Êzîden. Vor allem aber mangelnden Respekt vor all den Frauen und Kindern, die aus der IS-Gefangenschaft entkommen konnten oder bis heute noch festgehalten werden und für die Nadia Murad kämpft. Aktaş überschreitet jegliche Grenzen des sachlichen Disputes und offenbar unverhohlen seine nationalistische Gesinnung.

Die Stellungnahme macht letztlich einen verwirrten, verzweifelten Eindruck. Nicht bestehende Verbindungen werden zwanghaft heraufbeschworen, Personen außerhalb des Kontextes willkürlich angegriffen. Es drängt sich der Eindruck auf, als sei Aktaş mit der Situation überfordert. Und was gibt es einfacheres, als sich in nationalistisches, rassistisches Geschwafel zu stürzen?

Über 40 êzîdîsche Vereine aus Europa, mehrheitlich aus Deutschland, haben einen offenen Brief an den Präsidenten der kurdischen Regierung im Nordirak gerichtet, in dem sie die Regierung zum Handeln gegen den diffamierenden Film aufrufen. Das kurdische Kulturministerium und die Stadtverwaltung Duhok gehören zu den Hauptsponsoren des Filmes. Klammheimlich hat Aktaş mittlerweile die umstrittene Szene aus dem Film genommen, den ursprünglichen Trailer im Internet unzugänglich gemacht, um nun zu behaupten, eine solche Szene hätte nie existiert. 

© ÊzîdîPress, 28. September 2016