Übersetzung des Beitrages von Prof. Dr. Kizilhan in Rûdaw, Titel: „Mafên Êzîdiyan û berjewendiyên hinek rêxistinên Kurdan“, Ausgabe 229, Seite 13

Prof. Dr. Kizilhan
Prof. Dr. Kizilhan

Zunächst möchte ich die Êzîden nach ihrem dreitägigen Fasten zu ihrem Fest (Cejna Êzîd; Anm. d. Red.) beglückwünschen.

Ich denke, die Leserinnen und Leser sind mehr oder minder gut mit dem Wesen und der Geschichte der Êzîden vertraut. Seit einigen Jahren kommt es vermehrt zu nicht-endenwollenden Diskussionen zwischen Êzîden und Nicht-Êzîden bezüglich ihrer Geschichte. Diese Diskussion wird sehr emotional und unwissenschaftlich geführt und bezieht sich dabei auf das Verhältnis des Êzîdentums zum Zoroastrismus. Die mehrheitlich auf Verzweiflung und Anschuldigungen beruhende Debatte wird dabei sowohl unter den Êzîden als auch unter deren Gruppierungen verschiedenster Art geführt, was dazu führt, dass sich die Êzîden immer weiter selbst voneinander abspalten. Als Doktor der Orientalistik kann ich dazu mit gutem Gewissen sagen und nachweisen, dass die Êzîden keine Zarathustrier sind. Jedoch werden beide Religionen, wie die der Al-Haq/Yarasan und der kurdischen Aleviten auch, als iranische Religionen klassifiziert und hatten damit im Laufe der Geschichte gewisse Einflüsse aufeinander. Hier ist wichtig anzumerken, dass die êzîdische Religion und die Yarasan als west-iranische und der Zoroastrismus als ost-iranische Religion kategorisiert wird.

Die Debatte wird zusätzlich politisch instrumentalisiert, faktisch so, dass diese Diskussion bzw. das Resultat und Ergebnis den politischen Interessen gerecht wird.

Als jüngstes Beispiel dieser Debatte kann die Krise um den Sender Cira TV genannt werden. Als ein Mitarbeiter sich der genannten Thematik annahm, wurde er entlassen, woraufhin eine Stellungahme seitens Cira TV notwendig wurde.

Was möchten die politischen Organisationen der Kurden von den Êzîden?

Es beteiligen sich auch einige kurdische Organisationen an dieser Diskussion, was meiner Ansicht nach den Êzîden weniger hilft, sondern dafür sorgt, dass diese sich trennen und sich gegenseitig untereinander anfeinden. Die Êzîden stehen ohnehin vor schwierigen innerreligiösen wie gesellschaftlichen Problemen, die an einem besorgniserregenden Punkt angelangt sind.

Als Doktor der Orientalistik kann ich mit gutem Gewissen sagen und nachweisen, dass die Êzîden keine Zarathustrier sind.

Eine hohe Anzahl an Intellektuellen und Forschern der Êzîden, sowie deren Organisationen haben im Rahmen ihrer Informations- und Mittteilungsmöglichkeiten sich am Operationstisch nebeneinander aufgereiht. Operiert wird an der êzîdischen Identität, an der êzîdischen Geschichte, sowie an der Epoche von Sheikh Adi bis in die Gegenwart. Niemand kann abschätzen, ob diese Operation glücken wird, ob sie behindert oder gar mit dem Ende abgeschlossen wird.

Doch ganz gleich was kommt, nur die Êzîden selbst werden über ihre Geschichte und ihr Morgen entscheiden. Dies ist nicht die Arbeit von politischen Organisationen der Kurden. Statt die Êzîden zu unterstützen, ihnen helfend den Rücken zu stärken, schärfen sie ihre Messer um ihre eigenen politischen Interessen und Ideologie durchzusetzen.

An dieser Stellen müssen sich die Êzîden und die êzîdîschen Organisationen die Frage stellen, weshalb sie sich mal offensichtlich, mal im Verborgenen anfeinden und dies jeweils unter dem Schutzmantel einer politischen Kraft tun. Die Êzîden müssen unter sich besonders deutlich machen, was ihre Interessen für die Gemeinschaft sind und wie sie diese durchsetzen können, wie sie innerhalb Kurdistans überleben können, wo die Muslime die Mehrheit stellen.

Die Êzîden müssen verstehen, dass sie die Herren ihrer Träume sind und sich ihren Platz innerhalb des kurdischen Volkes selbständig mit ihren eigenen Besonderheiten einnehmen müssen.

So wie wir von kurdischen Parteien und Organisationen fordern, zu keiner Zeit die nationalen Interessen für Parteien oder Organisationen zu opfern, so müssen auch die Êzîden für die Interessen ihrer Gemeinschaft und ihres Überlebens verstehen, sich nicht blind und stumm einer Organisationen zu unterwerfen. Vor allem jene Organisationen, die für die Freiheit Kurdistans kämpfen -hier vor allem in Südkurdistan-, müssen verstärkt die Rechte der Êzîden auf rechtsstaatlicher, parlamentarischer, religiöser und gesellschaftlicher Ebene festigen. Wenn die Kurden nicht möchten, dass die Êzîden die Region Shingal irgendwann den Arabern überlassen, so müssen sie nicht morgen, sondern heute daran arbeiten (dies ist keine Drohung, sondern die Wahrheit).

Es scheint so, als ob auch ein halboffizieller Kampf zwischen Hewlêr und der PKK um Shingal begonnen hat. Dies ist für das kurdische Volk und Kurdistan ein Verfall und zugleich eine große Schande. Innerhalb der Kurden sind die Êzîden ohnehin das schwächste Glied und jene, die die meisten Massaker durchleben mussten. Als wäre dies nicht schon genug, verstärken nun auch einige kurdische Vereinigungen die Repressionen gegen die Êzîden. So kann es nicht weiter gehen! Auch aus diesem Grund müssen die Êzîden selbständig mit mehr Eifer, Mut und Glauben innerhalb der kurdischen Gesellschaft ihre Rechte und Ansprüche geltend machen.