Duhok. Der seit Monaten schwelende Konflikt zwischen der Demokratischen Partei Kurdistans (kurd. PDK) und der Arbeiterpartei Kurdistans (kurd. PKK) um die umstrittene Region Shingal im Nordirak verschärft sich zunehmend. Nachdem hochrangige PDK-Generäle der Peshmerga mitteilten, dass die Peshmerga bei der Offensive zur Befreiung der Südregion Shingals keine anderen Einheiten beteiligen werden, legten PDK-Funktionäre nun verbal nach.
Sheikh Shamo, êzîdîsches PDK-Mitglied und Abgeordneter im kurdischen Parlament in Erbil, sagte in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung, dass Shingal der PDK gehöre und die PKK eine Besatzungsmacht sei. Man werde den „Plan der PKK nicht akzeptieren“, die PKK und die PYD, der politische Arme der YPG, seien nicht zur Befreiung in Shingal sondern um die Region zu besetzten, heißt es in der Erklärung weiter. Alleine die PDK und Mesud Barzanî seien jene, die die Êzîden und Shingal verteidigen. „Wo sind sie (PKK und YPG; Anm. d. Red.) seit einem Jahr?“, fragt Shamo, „wieso haben sie Shingal bisher nicht befreit?“, ohne sich selbst die Frage zu beantworten, wo denn die Peshmerga und die PDK waren.
Shamo ist das einzige êzîdîsche Mitglied im Parlament und gilt als korrupt. Mit einem skandalösen Interview erzürnte er die Êzîden im August 2014 dann vollends gegen sich: Die Êzîden und Shingal sollen stolz sein, dass dank ihnen die internationale Weltgemeinschaft nun der kurdischen Regierung hilft, erklärte Shamo. Die Katastrophe in Shingal sei eine „internationale Verschwörung gegen die PDK“, so Shamo weiter.
Aufgrund der politischen Differenzen und der Aussagen der Peshmerga haben sich êzîdîsche Kampfeinheiten zusammengeschlossen und gestern eine Mitteilung veröffentlicht. In Shingal fürchtet die PDK einen Machtverlust, nachdem ihre Einheiten im August vergangenen Jahres aus der Region flüchteten und einen Völkermord der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) an der Zivilbevölkerung ermöglichten. Shingal wird von der PDK als neues Machtgebiet betrachtet, nachdem sie zunehmen durch die politischen Parteien der Goran und PUK im Osten der Autonomen Region Kurdistans (ARK) verdrängt wird. Zuletzt eskalierten Demonstrationen in der ARK, bei denen mehrere Menschen von Sicherheitskräften der PDK getötet wurden. Die Demonstranten griffen zuvor PDK-Büros an. Die PDK machte schließlich die Goran-Partei für die Eskalation verantwortlich und setzte umgehend vier Goran-Paralamentsmitglieder rechtswidrig ab, darunter den Parlamentssprecher.
Im August 2014 rückten Einheiten der kurdischen Streitkräfte der YPG und PKK nach Shingal vor und stellten sich zusammen mit den êzîdîschen Widerstandskämpfern der YBŞ und der HPŞ den IS-Terroristen entgegen. In Shingal-Stadt sind es vor allem die YBŞ-, YPG- und PKK-Kämpfer, die sich einen blutigen Häuserkampf mit den IS-Terroristen liefern. Dutzende Kämpfer kamen bereits ums Leben.
Für die PDK stellt das Eingreifen der PKK und die Anwesenheit ihrer Kämpfer in Shingal eine Einmischung in innere Angelegenheiten dar. Sie fürchtet um ihren Einfluss und setzt nun alles daran, die PKK möglichst aus der Region zu verdrängen. Schon vor Tagen kam es zu kurzen Auseinandersetzungen, als PDK-Peshmerga den Hauptweg der PKK und YPG nach Nordsyrien blockierten.
Befürchtet wird vor allem ein Stellvertreterkrieg, den êzîdîsche Kämpfer der jeweiligen Partei gegeneinander führen werden. Êzîdîsche Politiker sollten daher möglichst deeskalierend agieren und den politischen Ton entsprechend anpassen.
© ÊzîdîPress, 30. Oktober 2015