Yusuf Mohammed Sadik, Parlamentspräsident der Autonomen Region Kurdistan (© RIA Novosti. Dmitry Vinogradov)
Mohammed Yussuf Sadik, Parlamentspräsident der Autonomen Region Kurdistan (© RIA Novosti. Dmitry Vinogradov)


Shingal. Der kurdische Parlamentspräsident der Autonomen Region Kurdistan, Mohammed Yussuf Sadik, hat in einem Interview mit der russischen Agentur RIA Novosti eine juristische Anklage und Bestrafung der verantwortlichen Peshmerga gefordert, die im August 2014 aus der Shingal-Region kampflos geflohen waren und so den Völkermord der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gegen die êzîdîsche Bevölkerung ermöglichten. Sadik sieht die Verantwortung für den Völkermord bei den geflohenen Peshmerga-Soldaten.

Sadik, Politiker der Goran-Partei, sagte: „Tatsächlich liefen die Peshmerga in der Nacht davon, ohne sich Gedanken über die Zivilbevölkerung zu machen“. Die aus der Region geflohenen Peshmerga „tragen die Verantwortung für den Völkermord am kurdischen Volk“ in Shingal, so Sadik weiter. Daher müssen „die Verantwortlichen vor Gericht gestellt und bestraft werden“, mit der Flucht ermöglichten die Peshmerga der Terrormiliz tausende Frauen und Kinder zu versklaven.

Die Anklage müsse daher im Parlament zur Sprache gebracht werden. Eine derartige Untersuchung und die Einleitung eines juristischen Beweisverfahrens seien jedoch aufgrund der lahmgelegten Parlamentstätigkeit nicht möglich. Als Oberbefehlshaber der Peshmerga habe der „amtierende Ex-Präsident“ Masud Barzanî mit seiner Weigerung, die abgelaufene Legislaturperiode zu akzeptieren, die staatlichen Institutionen entmachtet, erklärt Sadik. Daher sei zurzeit keine Auseinandersetzung mit dieser Problematik möglich. Das kurdische Parlament hat seit fast einem Jahr nicht mehr getagt.

Bereits kurz nach dem Völkermord der IS-Terrormiliz an der êzîdîschen Bevölkerung in Shingal kritisierte Parlamentspräsident Sadik, dass die „Tragödie hätte verhindert werden können„, wenn die Regierung die vorherigen Warnungen für die Shingal-Region ernst genommen hätte. Die nach eigenen Angaben 11.000 Peshmerga in Shingal und Umgebung flohen am 3. August 2014 unvermittelt aus der Region und überliegen die Zivilbevölkerung ihrem eigenen Schicksal. Die Mehrheit der Êzîden spricht daher von Verrat. Barzanî erklärte zwar ebenfalls wenige Tage nach dem Völkermord, die verantwortlichen Peshmerga würden zur Rechenschaft gezogen werden, doch blieb bis heute eine Anklage der verantwortlichen Peshmerga-Kommandeure aus.

In der Shingal-Region ermordeten die IS-Terroristen nach UN-Angaben über 5.000 Êzîden und verschleppten und versklavten bis zu 7.000 weitere, überwiegend Frauen und Kinder. In der Gefangenschaft sind die ÊzîdInnen systematischer sexueller Gewalt ausgesetzt. Die UN-Menschenrechtskommission, das US-Außenministerium, das britische Parlament sowie das Europäische Parlament haben die Verbrechen des IS an den Êzîden als Völkermord bewertet und verurteilt. Frauen und junge Mädchen werden in der Gefangenschaft täglich teils mehrfach Vergewaltigt, Jungen in militärischen Ausbildungslagern zu neuen Djihadisten gedrillt. Auch nach fast zwei Jahren befinden sich weiterhin über 3.000 ÊzîdÎnnen in IS-Gefangenschaft.

© ÊzîdîPress, 24. Mai 2016