Jerevan. Der seit Jahrzehnten zwischen den Staaten Armenien und Aserbaidschan anhaltende Konflikt um die Bergakarabach-Region ist erneut eskaliert. Seit Sonntag halten die bewaffnete Gefechte an. Beide Seiten beschuldigen einander, für die Eskalation verantwortlich zu sein. Bisherige Hinweise deuten darauf hin, dass Aserbaidschan mit einer Militäroffensive am Sonntag den Streit neu entfachte. Beide Staaten haben den Kriegszustand ausgerufen. Seit Sonntag sollen den Angaben der Verteidigungsministerin zufolge über 60 Menschen bereits getötet worden sein. Zuletzt kam es in Jahr 2016 zu schweren bewaffneten Auseinandersetzungen.

Der parlamentarische Vertreter der êzîdîschen Gemeinschaft in Armenien, Rustam Bakoyan, erklärte am Montag, dass zwei êzîdîsche Soldaten der armenischen Armee bei den Kämpfen mit dem aserbaidschanischen Militär verletzt worden seien. Einer der beiden Verletzten habe schwerwiegende Verletzungen erlitten und schwebe in Lebensgefahr. Der zweite verletzte Soldat habe leichte Verletzungen davon getragen und befinde sich in einem stabilen Zustand.

Nach letztem Zensus im Jahr 2011 leben offiziell rund 40.000 Êzîden in Armenien. Mit etwa 1,3% Anteil an der Gesamtbevölkerung stellen die Êzîden damit die größte ethnische Minderheit im Land dar. Zwischen Armenien und Êzîden besteht aufgrund der gemeinsamen Leidensgeschichte und der beidseitigen Solidarität während des Völkermordes 1915 eine historische Freundschaft. Im Jahr 2012 wurden die Êzîden als ethnische Minderheit anerkannt.

In einer Rede vor dem Parlament erklärte Bakoyan am Montag, dass êzîdîsche Freiwillige bereit seien, an der Front zu kämpfen. „Wir haben in der Vergangenheit Seite an Seite Blut vergossen für dieses Land und wir sind auch dieses Mal wieder bereit“, so Bakoyan. Die êzîdîschen Soldaten der armenischen Armee würden erneut „gegen den gemeinsamen Feind kämpfen“.

Enthauptung durch aserbaidschanische Soldaten

Im Dezember 2015 wurde der êzîdîsche Soldat Sîdar Aloyan bei einem Angriff Aserbaidschans getötet. Im April 2016 wurde ein weiterer êzîdîsch-armenischer Soldat, Karam Sloyan, von aserbaidschanischen Streitkräften gefangen genommen. Kurz darauf veröffentlichten aserbaidschanische Soldaten Bilder und Videos von der Enthauptung Sloyans und posierten mit dessen abgetrenntem Kopf. Die Enthauptung gefangen genommener Soldaten stellt einen klaren Verstoß gegen die Genfer Kriegskonvention dar. Die aserbaidschanische Führung jedoch zog keinen der auf den Videos und Bildern zu erkennenden Soldaten zur Rechenschaft.

Ein zunächst während des Konfliktes im April 2016 als vermisst gemeldeter êzîdîsch-armenischer Soldat, Boris Osmanyan, wurde ebenfalls zwei Wochen nach seinem Verschwinden tot den armenischen Behörden übergeben.

Hinweise auf türkische Söldner

Die Türkei steht seit jeher unmissverständlich auf der Seite des „Bruderstaates“ Aserbaidschans, wie der türkische Präsident Erdogan verlautbaren ließ. Die geschichtliche Feindschaft der Türkei mit Armenien, aber auch geopolitische sowie religiöse Aspekte spielen dabei eine tragende Rolle.

Zudem verdichten sich Hinweise, wonach die Türkei syrische Söldner nach Aserbaidschan entsendet habe. Videos und Bilder kursieren in Sozialen Netzwerken. Eine Strategie, die Ankara etwa auch in Libyen verfolgt. Dabei handelt es sich um Söldner jener Milizen, die in Syrien unter anderem die christliche und êzîdîsche Minderheit terrorisieren.

Unabhängige Bestätigungen von syrischen Söldnern auf aserbaidschanischer Seite liegen jedoch noch nicht vor. Erdogan sagte seinem autokratischen Pendant Aliyev in Aserbaidschan gegenüber „uneingeschränkte Solidarität“ zu.