Duhok. Kurdische Sicherheitskräfte haben im Nordirak die wichtigste êzîdîsche Organisation geschlossen. Am vergangenen Montag sind nach bestätigten Angaben Büroräume der Nichtregierungsorganisation „Yazda“ in der Stadt Duhok von Beamten der Geheimpolizei (Asayish) aufgesucht und die Angestellten unter Zwang vor die Tür gestellt worden. Alle laufenden humanitären Projekte von Yazda mussten eingestellt werden – auch Hilfsprogramme für die aus der IS-Gefangenschaft befreiten Frauen und Kinder sowie die Versorgung tausender Flüchtlinge im Shingal-Gebirge, wie die Organisation mitteilte.
Yazda ist die weltweit größte êzîdîsche NGO, die ihren Hauptsitz in den USA hat und im Zuge des Völkermordes des „Islamischen Staates“ an den Êzîden gegründet wurde. Seit 2014 unterstützt die Organisation hunderte Frauen und Kinder, die traumatisiert aus der Gefangenschaft des IS befreit werden konnten. Zahlreiche Projekte haben die Organisation zu einem der wichtigsten Pfeiler der êzîdîschen Gesellschaft gemacht. Yazda ist zudem die Hauptorganisation hinter der UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad. Für ihre herausragende Arbeit wird Yazda global anerkannt.
Die kurdischen Sicherheitskräfte der PDK-geführten Regierung seien ohne Angaben von Gründen bewaffnet in die Büros gestürmt und zwangen die Angestellten die Räume zu verlassen. Anders als in den PDK-Medien dargestellt, hatte es zuvor keine Warnung der Regierung gegeben. Später erklärte die Regierung, die Organisation sei „aufgrund ihrer politischen Aktivitäten“ geschlossen worden – eine übliche Phrase, die immer wieder gegen kritische Personen, Organisationen und Vereinigungen heraufbeschworen wird. Der verantwortliche Direktor der Sicherheitskräfte in Duhok erklärte, er habe von dem Vorgang keine Erkenntnise gehabt. Yazda gehört keiner politischen Organisation an und kritisierte in den vergangen Monaten alle Seiten für den politischen Machtkampf in der Shingal-Region.
Yazda erklärte, dass kein Vorstandsmitglied zu einem persönlichen Gespräch geladen oder über derartige Vorwürfe informiert wurde. Hinweise auf ein derartiges Problem habe es nicht gegeben. Der kurdische Direktor für Angelegenheiten der NGOs, Dr. Akram Jamo, erklärten dann, die Lizenz der NGO Yazda sei abgelaufen. Tatsächlich aber wurde erst kürzlich, am 28. November, die Lizenz Yazdas verlängert – von Dr. Jamo selbst. Yazda veröffentlichte zum Beweis den verlängerten Lizenzvertrag mit der Unterschrift Jamos.
Yazda hatte sich in den vergangenen Wochen kritisch über die verhängte Sanktionen der kurdischen Regierung gegen die êzîdîsche Region Shingal geäußert. Mit jeglicher Gewalt versucht die PDK-Regierung die Êzîden in Shingal durch die Verhinderung von Hilfsgüterlieferungen auszubluten, um ihrem Machtanspruch auf die Region Ausdruck zu verleihen und ihren politischen Rivalen zu schaden. Yazda plante in Kürze in Zusammenarbeit mit der UN (UNDP), die êzîdîschen Flüchtlinge im Gebirge mit Gütern zu versorgen, um den eingebrochenen Winter zu überstehen.
Besonders brisant sind die ÊzîdPress vorliegenden Informationen, wonach auch die êzîdîsche Politikerin und PDK-Loyalistin Vian Dakhil aktiv hinter der Schließung von Yazda stehen soll. Dakhil pflegt engen Kontakt zu Nechirvan Barzani, dem Ministerpräsidenten der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak. Der Bruch mit den êzîdîschen Aktivisten zeichnete sich bereits vor Wochen ab, als Nadia Murad und Lamiya Baschar mit dem Menschenrechtspreis der Europäischen Union gewürdigt wurden und die sonst beitragsfreudige Dakhil kein Wort der Anerkennung oder Glückwünsche verlor. Sie ignoriert zudem jede Unterstützungsmaßnahme für Nadia Murad.
Die kurdischen Sicherheitskräfte erklärten der medizinischen Abteilung Yazdas, die rund 14,500 êzîdîsche Flüchtlinge versorgt, dass weitere Aktivitäten verboten seien. Der Hauptsitz der medizinischen Abteilung Yazdas befindet sich im Shingal-Gebirge, wo sie, trotz der PDK-Sanktionen, eine medizinische Betreuung der Vertriebenen leistet. Eine Rückkehr der Ärzte ist nun untersagt worden. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der Schritt der kurdischen PDK-Regierung politisch motiviert sei und von höchster Stelle angeordnet wurde, so Yazda-Mitglieder.
Die Schließung Yazdas ist ein weiterer Schlag gegen die Êzîden im kurdischen Nordirak. Sukzessive missachtet die PDK-geführte Regierung jegliche Rechte und Nöte der Êzîden und verhindert bewusst die Rückkehr êzîdîscher Flüchtlinge, um sie als Druckmittel zu missbrauchen. Mit der Schließung und dem Betätigungsverbot Yazdas verlieren die Êzîden ihre wichtigste Organisation.
© ÊzîdîPress, 4. Januar 2017