Bagdad. Der Irak hat erstmals die Vereinten Nationen offiziell um Mithilfe bei der Aufarbeitung der Verbrechen der Terrormilz „Islamischer Staat“ aufgerufen. Die Staatengemeinschaft soll dabei helfen, die IS-Mitglieder wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch international zur Rechenschaft zu ziehen und zu verurteilen. Zu diesem Zweck sollen von der UN weitere Untersuchungen sowie Beweissicherungen erfolgen. Eine entsprechende Resolution für den UN-Sicherheitsrat werde derzeit mit der britischen Regierung ausgearbeitet, heißt es im Schreiben des Iraks an die UN.

Eine bisherige strafrechtlich relevante Untersuchung durch die UN und des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag scheiterte daran, dass der Irak dem Römischen Statut des IStGH weder beigetreten ist, noch das Abkommen ratifiziert hat. Auch ein Mandat an den Strafgerichtshof für die Einsetzung eines Sondertribunals für den Irak lehnten die irakische Führung bisher ab, weil auch ihre eigenen Streitkräfte wegen Kriegsverbrechen belangt werden könnten. Der Sicherheitsrat hätte zwar auch ohne die Zustimmung des Iraks Ermittlungen einleiten können, allerdings galt unwahrscheinlich, dass alle ständigen und temporären Mitglieder des Rates zugestimmt hätten, da dies eine Verletzung der irakischen Staatssouveränität zur Folge gehabt hätte.

Die Lösung könnte nun ein territorial etwa auf das Shingal-Gebiet begrenztes Sondertribunal bringen. Ein Vorschlag, den der ehemalige Chefankläger des IStGH, Luis Moreno Ocampo, bereits in der Vergangenheit hinsichtlich der Verbrechen des IS an den Êzîden gemacht hatte. Für diesen Weg scheint die irakische Regierung nun offenbar bereit zu sein.

Ein Erfolg, der vor allem auf die Bemühungen zweier Frauen zurückgeht: Amal Clooney und Nadia Murad. Die internationale Strafrechtsrexpertin Amal Clooney vertritt die êzîdîschen Genozid-Opfer als Anwältin und Rechtsberaterin, darunter auch die êzîdîsche UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad. Beide hatten in langwierigen und zähen Gesprächen die irakische Führung mehrfach um einen Anruf bei der UN gebeten. Nur durch eine internationale Anerkennung des Völkermordes könne den Opfern des IS ein wenige Gerechtigkeit widerfahren, erklärten beide Frauen.

„Die Êzîden und andere Opfer des IS wollen Gerechtigkeit vor einem Gericht, das haben sie mindestens verdient“, so Clooney. Sie hofft, dass das Schreiben der irakischen Regierung den Beginn des Endes der Straflosigkeit für Völkermord-Verbrechen markiert. Nadia Murad zeigte sich „sehr erfreut“, dass nun konkrete erste Schritte zur Bestrafung von IS-Mitglieder wegen Völkermordes eingeleitet werden könnten.

Wann die britische Regierung die Resolution in den Sicherheitsrat einbringen wird, ist noch unklar. Eine UN-Untersuchungskomission bezeichnete die Verbrechen des IS an den Êzîden unlängst wiederholt als Völkermord. Auch das Europäische Parlament, das britische Parlament sowie weitere Staaten haben die Verbrechen des IS gegen die Êzîden als Völkermord eingestuft.

Am 3. August 2014 stürmte die IS-Terrormiliz das Hauptsiedlungsgebiet der Êzîden im Nordirak und verübte einen Genozid, um „die Êzîden als Gruppe zu vernichten“, wie die UN-Untersuchungskommission in ihrem Bericht erklärte. Auch drei Jahre nach dem Beginn des Völkermordes befinden sich noch immer schätzungsweise 2.600 ÊzîdInnen, darunter vor allem Frauen und Kinder, in Gefangenschaft des IS. Anlässlich des dritte Jahrestages des Völkermordes erklärte die UN in Genf, dass der Genozid an den Êzîden andauere und Maßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft bisher ausblieben, trotz der offensichtlichen Verbrechen.

© ÊzîdîPress, 19. August 2017