Die heute kaum noch eine Million Anhänger zählende yezidische Volksgruppe war einst eine einflussreiche Macht im Nahen Osten. Sie besaßen eine Vielzahl an Fürstentümern, die sich über weite Teile des Nahen Ostens erstreckten. Nach jahrhundertlange Verfolgungen durch ihre muslimischen Nachbarn schrumpfte der Einfluss der Yeziden signifikant. Viele große und bekannte yezidische Stämme wurden gänzlich islamisiert, so etwa die Bohtis und Dumbilis, die zuvor über weitflächige Gebiete regierten.
Der einflussreichste Stamm in der yezidischen Geschichte ist der Stamm der Dasinis. Jahrhundertelang herrschten sie über ein gleichnamiges Fürstentum und genossen selbst bei ihren muslimischen Nachbarn großen Respekt. Die Dasinis sind vor allem mit ihrem Widerstand gegen die Abbasiden in den Jahren 838 – 840/1 bekannt geworden, nachdem die arabischen Invasoren von den arabischen Halbinseln ausgehend die traditionelle Heimat der Yeziden überrannten und dort den Islam mit dem Schwert verbreiteten. Die Dasinis sowie weitere yezidische Stämme kämpften erbittert gegen die Araber und mussten große Verluste hinnehmen. Von Khorasan im heutigen Iran über das Schingal-Gebirge im Irak bis nach Ost-Anatolien stellten sich die Yeziden den Invasoren entgegen. Die Dasinis und ihr Wirken waren so einflussreich, dass sich ihr Stammesname eine lange Zeit als Bezeichnung und Synonym für alle Yeziden durchgesetzt hatte.
Einer der einflussreichsten yezidischen Fürsten war Hussein Beg Dasini. Neben den mündlichen Überlieferungen der Yeziden bildet die Scharafname des kurdischen Historikers und Fürsten Scharafchan Bidlisi (1543 – 1603) die einzige schriftliche Quelle über Hussein Beg Dasini. Er verfasste über die Fürsten der Dasinis ein eigenes Kapitel, das in den handschriftlichen Manuskripten jedoch bis heute verschollen ist. Über die Dasinis und Hussein Beg Dasini wird in seinem Werk daher nur sehr mager berichtet. Und auch diese Angaben sind mit Vorbehalt zu lesen. Bidlisi selbst hegte einen starken Groll gegen die Yeziden. Er bezeichnet ihre Religion mehrfach als Unglauben und betrachtete die Islamisierung der Yeziden als einen Segen Gottes.
Yezidischen Überlieferungen zufolge gehörte Hussein Beg Dasini – der an einer Stelle der Scharafname Scheich Hussein genannt wird – zu der Scheichgruppe der Qatanis, aus der traditionell und bis heute das weltliche Oberhaupt der Yeziden abstammt. Aus den sakralen Texten der Yeziden geht hervor, dass der Stammvater der Qatanis und Urvater von Hussein Beg Dasini aus Choroasan (Iran) stammt und ein Zeitgenosse von Scheich Adi Musafir (1073/7 – 1162), dem bedeutendsten Heiligen der Yeziden, gewesen ist. Er soll nach Lalisch, dem zentralen Heiligtum der Yeziden, gewandert und ein Schüler Scheich Adis geworden sein.
Scheich Adi führte ein Leben im Zölibat, er war weder verheiratet noch hinterließ er Kinder. Zu seinem Nachfolger wurde sein Neffe Scheich Abu Barakat. Seine Nachfahren bilden die Scheichgruppe der Adanis, aus der seinerzeit das weltliche Oberhaupt der Yeziden hervorging. Im 13./14. Jahrhundert brach unter den Adanis und der Sheichgruppe der Schamsanis ein heftiger Streit um die Führungsrolle aus. Es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen beider Lager. Die dritte Sheichgruppe der Qatanis nutze die Schwächung der beiden Gruppen und nahm die Führung der Yeziden an sich.
Dabei spielte vor allem Mir Mihammad Batini, einer der ersten Oberhäupter der Qatanis, eine zentrale Rolle. Mir Batini hatte zwei Söhne, Mir Melik und Mir Mansur. Der ältere der beiden Brüder, Mir Melek, folgte seinem Vater als neuer Führer der Qatanis. Seither geht das weltliche Oberhaupt der Yeziden aus der Qatani-Gruppe, genauer aus der Familie der Nachfahren von Mir Melik hervor. Hussein Beg Dasini ist ein direkter Nachfahre Mir Meliks gewesen und damit ebenso Vorfahre des heute amtierenden weltlichen Oberhauptes der Yeziden, Mir Tahsin Said Beg.
Während der Regierungszeit unter Hussein Beg Dasini regierten die Yeziden über ein großes Gebiet, das sich von Schingal über Scheichan bis nach Soran erstreckte.
Im Jahr 1534 besuchte der osmanische Sultan Süleyman I. das Soran-Gebiet. Über Soran herrschte zu der Zeit der kurdische Fürst Izz al-Din Scher, der sich jedoch dem Sultan gegenüber sehr unkonventionell verhielt und dafür hingerichtet wurde. Süleyman überreichte das Vilayet Soran und das Sandschak Arbil an den yezidischen Fürsten Hussein Beg Dasini. Hussein Beg Dasini herrschte so über ein Gebiet, das sich von Schingal und Scheichan über das Viyalet Soran mit dem Sandschak Arbil erstreckte.
Die Schlacht um Arbil
Die Ernennung des yezidischen Fürsten zum Herrscher über Soran stieß auf großen Widerstand. Ein Neffe Izz al-Din Schers, Emir Sayf al-Din, der über Somaqliq herrschte, akzeptierte die Herrschaft des Hussein Beg Dasinis nicht. Er attackierte die Dasinis immer wieder, wurde aber jedes Mal besiegt, weshalb Emir Sayf al-Din zu Bieka Beg, dem Fürsten von Ardalan, ging um sich dort neu zu forcieren und den Bieka Beg um Unterstützung zu bitten. Aus Furcht vor den Dasinis und Sultan Süleyman unterstütze Bieka Beg ihn nicht, weshalb Sayf al-Din Ardalan verließ.
Als Sayf al-Din von Ardalan nach Soran zurückkehrte, befand sich Hussein Beg Dasini yezidischen Überlieferungen zufolge in Scheichan – Bidlisi erwähnt den Aufenthaltsort nicht. Emir Sayf a-Din konnte den Großteil der dortigen muslimischen Stämme auf seine Seite ziehen und mobilisierte eine große Anzahl an Kämpfern, mit denen er schließlich Arbil angriff. Als diese Neuigkeiten Hussein Beg Dasini erreichten, machte er sich mit seinen Kämpfern auf den Weg. Es kam zur Schlacht um Arbil.
Emir Sayf al-Din gewann die Schlacht, in der 500 yezidische Kämpfer fielen. Auch im weiteren Verlauf, in der Hussein Beg Dasini immer wieder die yezidischen Kämpfer neu mobilisierte und Emir Sayf a-Din angriff, konnte Sayf al-Din die Oberhand behalten. Emir Sayf al-Din konnte im Laufe der Kampfhandlungen und Eroberungen eine große Menge an Schätzen und Waffen erbeuten.
Hussein Beg Dasini war gezwungen sich zurückzuziehen, während Emir Sayf al-Din sich vom osmanischen Sultan unabhängig machte. Als Sultan Süleyman von der Niederlage Hussein Beg Dasinis erfuhr, ließ er ihn nach Istanbul beordern. Er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Wann genau das geschah, erwähnt Bidlisi nicht.
Nach dem Tod von Hussein Beg Dasini
Der Neffe Izz al-Din Schers, Quli Beg, nutzte die Schwächung der Yeziden aus um die Dasinis – vermutlich aus Rache – immer wieder anzugreifen. Die Dasinis konnten jedoch alle Kämpfe für sich entscheiden und Quli Beg vertreiben. Quli Beg wandte sich an den persischen Schah Tahmasp I. und unterstand fortan seinem Schutz.
Zwischen den Yeziden und den Kurden aus Soran entwickelte sich eine große Feindschaft. Die Dasinis sehnten nach Rache und attackierten immer wieder die Kurden aus Soran – Bidlisi führte diese Racheakt nicht nur auf den Verlust der yezidischen Herrschaft sondern auf eine alte und tiefe Feindschaft zwischen Yeziden und Muslime zurück.
Quli Beg verblieb bis zum Tod von Emir Sayf al-Din beim Schah Tahmasp I. Später wurde er vom Fürsten von Amediya, Sultan Hussein Beg, eingeladen und bekam aufgrund seiner Abstammung aus der Herrscherfamilie der Soran die Herrschaft über Harir überreicht.
Nach der Niederlage und dem Tod Hussein Beg Dasinis und dem Verlust ihrer Herrschaft verschlechterte sich die Situation der Yeziden im Osmanischen Reich erheblich. Den Höhepunkt bildete schließlich eine Fatwa im Jahr 1545 von Ebusuud Efendi (1490 – 1574), dem Scheich ul-Islam, die u.a. direkt gegen die Yeziden gerichtet war. In der Fatwa wurde die Tötung und Versklavung von Yeziden religiös legitimiert. Die folgenden Pogrome und Verfolgungen der Yeziden nahmen eine neue Dimension an. Nach Auswertungen osmanischer Quellen wurden über die Jahrhunderte osmanischer und kurdischer Herrschaft 1,2 Millionen Yeziden zwangsislamisiert und 1,8 Millionen ermordet.
© ÊzîdîPress, 05. November 2015