.
[H]annover. Auf Initiative der Oberkommandeure der êzîdîschen Verteidigungskraft Shingals HPŞ, Heydar Shesho und Shekh Dawid Cindi, soll im Irak nun eine êzîdîsche Partei gegründet werden. Dies teilte die HPŞ-Führung in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung mit. Die rasanten Veränderungen im Nahen Osten, der vermeidbare Genozid an Êzîden und die politische Situation im Irak machen die Gründung einer von Êzîden geführten Partei zur Sicherstellung des Selbstbestimmungsrechts unausweichlich, heißt es unter anderem in der Mitteilung. Seit dem Sturz des Saddam-Regimes befinden sich die Êzîden zwischen zwei Fronten und werden sowohl von Bagdad als auch von der kurdischen Regierung in Erbil ihrer Rechte beraubt.
„Nach dem Sturz des Saddam-Regimes, mit dem eine berüchtigte, blutige Diktatur zu Ende ging, kam es zu großen Veränderungen im vergangenen Jahrzehnt. Die vielleicht bedeutendste Veränderung ist der Übergang des Iraks hin zu einer Verfassung, in denen die Grundsätze der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit seiner Staatsbürger sowie die Werte der Demokratie und des Zivilstaates verankert sind, denen grundlegende Menschenrechte zugrunde liegen. Trotz dieser fortschrittlichen Entwicklungen in den Verfassungen der irakischen Republik im Allgemeinen und der Verfassung der Region Kurdistan im Besonderen erfolgte dennoch eine Marginalisierung der Minderheiten im Irak einschließlich Kurdistan. Dies betrifft auch die ezidische Minderheit, was die Tragödie [in Shingal; Anm. d. Red.] erneut verdeutlichte, die infolge der Ungerechtigkeit, der Ausgrenzung und Vernachlässigung und dem Verlust der Rechte von Bagdad bis Hewler eingetreten ist“, lautet es in der Erklärung.
Die rund 600.000 Êzîden im Irak hatten sich nach dem Sturz Saddams klar zur Region Kurdistans bekannt, was sich aufgrund der „falschen Politik gegenüber den Êzîden als schrecklicher Fehler“ herausgestellt habe. Die kurdische Regierung, die die Êzîden stets nur als religiöse Minderheit betrachtete, hat den Êzîden grundlegende Rechte verwehrt und ist nicht auf die spezifischen Problem der Êzîden eingegangen.
Der Völkermord in Shingal wurde von den IS-Terroristen aufgrund der religiösen Identität der Êzîden verübt. Aus diesem Grund machen die Êzîden von ihrem Recht der Selbstorganisation gebrauch, um sich in allen staatlichen Institutionen im Irak und in Irakisch-Kurdistan unabhängig vertreten zu können.
Die êzîdîsche Partei soll alle Strömungen innerhalb der êzîdîschen Gemeinschaft zusammenführen und den Êzîden eine unabhängige politische Vertretung ermöglichen. Die Existenzerhaltung habe dabei oberste Priorität, erklärt HPŞ-Oberkommandeur Heydar Shesho.
Heydar Shesho wurde am 6. April von kurdischen Sicherheitskräften der Regierungspartei PDK wegen der „Gründung einer illegitimen Miliz außerhalb des kurdischen Gesetzes“ inhaftiert und nach acht Tagen wieder entlassen. Die Verteidigungskraft Shingals HPŞ wurde zur Verteidigung der Êzîden gegen die Terrormiliz IS gegründet, nachdem rund 10.000 Peshmerga aus der Region flüchteten und die êzîdîsche Bevölkerung ihrem Schicksal überließ. Dem HPŞ-Oberkommandeur Dawid Cindi zufolge besteht die Einheit derzeit aus rund 3.200 Freiwilligen.
In Deutschland soll nun über die Zukunft der Êzîden diskutiert und Konsequenzen aus dem Völkermord in Shingal gezogen werden. Die Gründung einer unabhängigen Partei ist der erste Schritt.
© ÊzîdîPress, 26. April 2015