êzîdîPress Redakteur Rustam Rzgoyan (Russland) im Gespräch mit „Torn“  Regisseur Nawzad Shekhany.

Nawzad Shekhany bei den internationalen Filmfestspielen in Marrakesch
Nawzad Shekhany bei den internationalen Filmfestspielen in Marrakesch

Der international renommierte Regisseur Nawzad Shekhany aus Shekhan (Kurdistan) stammt aus der Familie des êzîdîschen Forschers Abu Azad. Von seinem Vater erbte er die Liebe zur êzîdîschen Tradition, Kultur und Religion.

Von 1983 bis 1987 studierte er an der Universität in Erbil Ingenieurswesen. Er entdeckte sein Interesse für Theater und Film und schrieb sich 1991 in die Kunstakademie in Bagdad ein. Als Student arbeitete er als Filmemacher unter anderem bei Bagdadt International TV, was für ihn nach eigenen Angaben eine tolle und wertvolle Erfahrung war. Von 1996 bis 1997 gründete er sein eigenes Studio in Irakisch-Kurdistan, wo er als Regisseur seine ersten Erfahrungen sammelte. Er gehörte auch zur Delegation kurdischer Filmemacher, die 2005 bei den Filmfestival in Cannes teilnahmen.

Nawzad Shekhany– eine für uns einzigartige Person und ein großer êzîdîscher Patriot. Durch seine Bemühung entstand die erste internationale êzîdîsche Filmproduktionsfirma „Shekhan Film“. Zusammen mit seinem Bruder Sherzad Shekhany etablierte er Shekhan Film. Wie jedem Künstler eigen ist, so hat auch Nawzad seinen ganz eigenen, dynamischen Stil, der schöne Aufnahmen ausdrucksstark an die Leinwand zu bringen vermag.

Nawzad Shekhany ist deutscher Staatsbürger und spricht Kurmancî (Kurdisch), Arabisch, Deutsch und Englisch. Es folgt ein Interview mit Herrn Shekhany.

Nawzad Shekhany während der Dreharbeiten zu "Torn"
N. Shekhany während der Dreharbeiten zu „Torn“

ÊzîdîPress: Vielen Dank, dass Sie für uns die Zeit gefunden haben, das wissen wir sehr zu schätzen. Wissen Sie eigentlich, dass Sie eines der Vorbilder der Êzîden und Symbol unseres Volkes im 21. Jahrhundert sind? Wie fühlt sich diese Verantwortung an?

N. Shekhany: Zunächst schätze ich dieses Vertrauen sehr. Ich fühle mich geehrt, meinem Volk als Vertreter zu dienen. Wir müssen hart arbeiten, um die Werte der Êzîden aufrecht zu erhalten. Gott gab mir Kraft, Energie und auch ein gewisses Talent, was ich für die Menschen einsetze.

ÊzîdîPressHaben Sie selbst ein Vorbild? 

N. Shekhany: Wenn damit jemand gemeint ist, den ich bewundere, so ist es eine Person, die seinem Volk selbstlos das gibt was sie kann.

ÊzîdîPress: Wir alle waren froh über die Nachricht, dass die Dreharbeiten am Film „Torn“ fertiggestellt wurden. Was hat sie dazu bewegt, diesen Film zu machen?

N. Shekhany: Die Kernbotschaft des Filmes gilt jenen, die ihre êzîdîsche Religion verändern wollen oder selbst bereits aus dieser ausgetreten sind. Für diejenigen, die die Tradition ihrer Vorfahren verlassen haben. Es ist ein Zeichen dafür, dass sie in die Arme ihrer Familie, ihrers Volks und ihrer Religion zurückkehren sollten, unsere Religion ist sehr alt und hat es verdient, stolz auf sie zu sein. Stolz auf die theologische Philosophie, die Charakteristik nur als Êzîdî geboren werden zu können. Der Film thematisiert auch die Werte der Liebe, der Toleranz und der Menschlichkeit, die über soziale und religiöse Intoleranz siegt.

ÊzîdîPress: Sie wissen sicherlich, dass Ihr Film „Torn“ gerade für die Êzîden aus dem post-sowjetischen Raum sehr wichtig sein wird. Viele von uns warten bereits auf die Premiere. Eine große Zahl Êzîden aus Russland, Georgien und Armenien haben leider die Tradition ihrer Vorfahren aufgegeben und sind konvertiert und zu Anhängern verschiedenster Religionen und Sekten geworden, nur eben keine Êzîden mehr. Was halten Sie persönlich davon? Wie kann man Ihrer Meinung nach dieses Entwicklung entgegenwirken?

N. Shekhany: Das Êzîdentum ist eine in sich geschlossene Lehre, in der das religiöse Bewusstsein von den Eltern auf die Kinder übertragen wird bzw. werden muss. Was wir brauchen sind religiöse wie kulturelle Zentren, um diese Auflösung der Êzîden zu verhindern.

Film "Torn" by Nawzad Shekhany
Film „Torn“ by Nawzad Shekhany

ÊzîdîPress: Die Filmproduktionsfirma „Shekhan Film“ ist die erste êzîdîsche weltweit, die dank Ihnen entstand. Wird „Torn“ der einzige Film bleiben oder werden noch weitere folgen?

N. Shekhany: „Shekhan Film“ hat ein riesiges Video- und Fotoarchiv, das seit 1954 hauptsächlich dank der Arbeit meines Vaters Abu Azad, der ein bekannter Religionsforscher und Historiker der Êzîden ist, stetig ausgebaut wurde und weiterhin wird. Wir haben bereits eine große Menge an Material über die êzîdîschen Religion und besonders über die Feiertage archivieren können. Nun haben wir mit der Produktion von Filmen und Dramen wie „Torn“ begonnen – es ist unser erster Film und auch erst der Beginn einer langfristigen Planung. Wir möchten weitere Filme über unsere Religion und Tradition produzieren und der Welt zeigen, wer die Êzîden sind. Durch unsere Teilnahme an verschiedenen internationalen Filmfestivals und anderer internationaler Veranstaltungen werden wir unsere Ziele sicherlich erreichen können.

ÊzîdîPress: Für viele sind Sie ein Held, auch für uns, weil wir wissen, dass dieser Film über die Êzîden auf ihr persönliches Engagement zurückzuführen ist. Vielleicht können Sie unseren Lesern etwas über die Filmentstehung berichten.

Shekhan Film Logo
Shekhan Film Logo

N. Shekhany: Wie ich bereits sagte, müssen wir alles in unserer Macht stehende tun, um selbstlos unser Volk und seine Religion zu pflegen. Das ist mein Grundprinzip. Meine Arbeit ist, was ich für mein Volk tun kann. Ich sehe es gegenüber unseren großen Vorfahren als meine Pflicht an. In meine Arbeit investiere ich aus eigener Tasche, wenn ich mehr Mittel haben sollte, würde ich mit noch größerer Energie mehr beitragen. „Shekhan Film“ ist weltweit das erste êzîdîsche Filmunternehmen, das einen Film über die Êzîden, unserer Tradition und unsere Kultur produziert hat und das mit unserem eigenen Geld. Für die weitere Entwicklung von „Shekhan Film“ sind wir daher froh über jeden Êzîden der uns unterstützt.

ÊzîdîPress: Viele Êzîden sprechen nicht gerne über ihre Herkunft. Sie im Gegenteil sind stolz darauf, dass Sie Êzîdî sind und die êzîdîsche Kultur vorzeigen können. Was bedeutet es für Sie Êzîdî zu sein?

N. Shekhany: In der Tat, ich bin sehr stolz darauf Êzîdî zu sein. Mein Vater hat hart gearbeitet, um Wissen über unsere Religion, Philosophie, Kultur, Tradition und reiche Folklore zu bewahren. Êzîdî zu sein bedeutet für mich an Gott zu glauben, mit Gott eins zu sein, in Frieden mit anderen zu leben, gegen alle Formen von Rassismus und religiöser Intoleranz zu kämpfen, andere hierbei zu unterstützen und ihre Religion und Geschichte zu verteidigen.

ÊzîdîPress: Wie Sie selbst wissen, ist es dem Haus der Êzîden in Georgien gelungen verschiedenste Vertreter unserer Gesellschaft zu vereinen. Trotzdem gibt es leider einen kleinen Teil von Pseudo-Êzîden und ehemaliger Êzîden die versuchen den Aktivitäten des Hauses der Êzîden zu schaden. Sie schreiben Denunziationsartikel an verschiedene Instanzen und fordern diese auf, nicht in Kontakt mit den Êzîden zu treten. Wissen Sie über diese Situation Bescheid?

N. Shekhany: Ich bedauere sowas zu hören. Wir, die Êzîden, müssen unsere Einheit stärken. Wir müssen mit vereinten Kräften gegen allen Druck und gegen jegliche Diskriminierung kämpfen. Wir müssen hart daran arbeiten, unseren eigenen Standpunkt zu verteidigen.

Nawzad Shekhany in Marokko
Nawzad Shekhany in Marokko

ÊzîdîPress: Wir waren sehr stolz, als wir erfahren haben, dass sie zum Vorsitzenden der Jury bei den renommierten Filmfestspielen „Al Waha“ in Marokko gewählt wurden. Welcher Film glauben Sie ist der Favorit?

N. Shekhany: Favorit des Festivals ist ein Film, der klare und starke Signale für moderne humanitäre Probleme hat. Wichtig ist auch, dass ein einfacher Einstieg in den Film möglich ist, ohne komplexe Vorgänge die durch das Skript vorgegeben werden. Übertreibungen sollten vermieden werden, ebenso Täuschungen und andere zahlreiche Faktoren spielen hierbei eine Rolle.

ÊzîdîPress: Vielen Dank Herr Shekhany, Sie sind für uns wahrlich ein Sohn ihres Volkes. Im Namen aller Êzîden danken wir Ihnen für Ihre Arbeit und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und alles Gute. 

Liebe Leser, jeder von uns kann seinen Beitrag zur Entwicklung der êzîdîschen Filmkultur beitragen. Es reicht, wenn jeder von uns bereits ein wenig gibt, so wird diese Kraft gemeinsam reichen unsere Ziele zu erreichen. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können die Zukunft ändern.

Rustam Rzgoyan, êzîdîPress Russian Edition
Übersetzung aus dem Russischen, 07.02.14