Shingal (Nordirak) – In unserem letzten Artikel haben wir bereits auf den katastrophalen Misserfolg für die Êzîden bei den irakischen Parlamentswahlen aufmerksam gemacht. Die Zahl der êzîdîschen Abgeordneten schrumpfte von sieben auf zwei, von denen ein Sitz durch die kompensatorische Minderheitenquote vergeben worden ist. Nachdem nun alle amtlichen Ergebnisse veröffentlicht sind, hat der êzîdîsche Forscher und Schriftsteller Heso Hurmi in einem seiner Artikel das Desaster anhand der Zahlen verdeutlicht. Sowohl die Gesamtzahl der Stimmen, die die êzîdîschen Kandidaten erhielten, als auch jeder einzelne Kandidat der verschiedenen Parteien. Wie erwähnt, haben nur zwei Êzîden den Einzug ins Parlament geschafft.
Insgesamt wurden 127.211 Stimmen für êzîdîsche Kandidaten aller Parteien abgegeben. Diese 127.211 Stimmen verteilten sich auf exakt 73 êzîd. Kandidaten, die für 10 Parteien bzw. Allianzen in den zwei großen Wahlbezirken Duhok und Ninawa (Shingal) angetreten sind. In Duhok, das zur Autonomen Region Kurdistan gehört, leben rund 55.000 Êzîden, von denen ca. 13.000 wahlberechtigt sind. Die absolute Mehrheit der Êzîden lebt in dem Bezirk Ninawa, wo das größte êzîdîsche Ballungsgebiet weltweit (Shingal) liegt. Hier leben Schätzungen zufolge über 500.000 Êzîden, mit ca. 200.000 Wahlberechtigten. Wahlbeobachtern zufolge war die Wahlbeteiligung in den êzîdîschen Regionen jedoch gering.
Wahlbezirk Duhok
Im Wahlbezirk Duhok, das einst Hauptstadt des êzîdîschen Fürstentums Dasin war, traten zwei êzîdîsche Kandidaten gegeneinander an. Hier waren insgesamt 11 Sitze für das irakische Parlament zu holen, von denen die PDK 8 und PUK 1 erhielt. Für die PDK trat Nahida Khelef an und holte 8583 Stimmen, für die PUK trat Qadir Hisen an, der 2039 Stimme erhielt. Beide schafften den Einzug nicht. Die Gesamtzahl der Stimmen, die die êzîdîschen Kandidaten für die großen kurdischen Parteien gewinnen konnten, betrug demnach 10.577.
Wahlbezirk Ninawa (Shingal)
Weitaus wichtiger für die kurdischen Parteien waren die Stimmen der Êzîden im Wahlbezirk Ninawa, das nicht zur Autonomen Region Kurdistan gehört. Der Bevölkerungsanteil der Êzîden an der Gesamtbevölkerung macht im Bezirk Ninawa rund 18% aus, in der Region Shingal, das zu Ninawa gehört, rund 90%. Hier traten alle 10 Parteien an, die êzîdîsche Kandidaten zur Wahl stellten.
Die PDK, in Ninawa als Kurdistan-Allianz angetreten, erhielt für ihre 27 êzîdîschen Kandidaten insgesamt 58.907 Stimmen. Die PUK mit ihren 20 êzîdîschen Kandidaten in Ninawa 25.279 Stimmen. Die PDK konnte von den 31 zu vergebenden Parlamentssitzen in Ninawa 6 für sich gewinnen, die PUK 2 Sitze. Von den 6 Sitzen für die PDK schaffte es nur die êzîdîsche Kandidatin Viyan Dexîl mit 5467 Stimmen ins Parlament, die auf dem fünften Listenplatz der PDK stand. Interessant ist hierbei der massive Stimmeinbruch für Viyan Dexîl im Vergleich zu den letzten Wahlen im Jahr 2010: bei den Parlamentswahlen 2010 erhielt sie noch 17275 Stimmen, was einen Stimmeinbruch von fast 70% bedeutet!
Bei den Wahlen von 2010, zu denen insgesamt 40 êzîdîsche Kandidaten verschiedenster Parteien in Ninawa angetreten sind, hatten noch vier Êzîden für die PDK den Einzug ins Parlament geschafft.
Den zweiten Parlaments- und Quotensitz für Êzîden, erhielt Hecî Kundor mit 9465 Stimmen für die Êzîdîsche Partei für Fortschritt und Entwicklung (arab. Islah Al-Takadum), die bereits in den Wahlen nach 2006 und 2010 den Quotensitz für Êzîden gewinnen konnte. Der zweite Kandidat der Islah und bisherige êzîdîsche Parlamentsabgeordnete Amîn Farhan Jeju erhielt 3639 Stimmen.
Die 49 êzîdîschen Kandidaten der kurdischen Parteien PDK und PUK konnten in Ninawa damit ingesamt 84.186 Stimmen gewinnen. Die Rechnung ging damit für beide Parteien auf, die zuvor schon ankündigten, die Stimmen der Êzîden in Ninawa gewinnen zu wollen. Was dies für einen Mehrwert für die Êzîden haben soll, müssen die 48 gescheiterten êzîdîschen Kandidaten der PDK und PUK ihrer Gesellschaft erläutern.
Ergebnis
Ursache für die verlorgengegangenen fünf Parlamentssitze war, wie schon mehrfach erwähnt, die hohe Zahl an êzîdîschen Kandidaten. Auffallend ist dennoch, dass die zwei großen kurdischen Parteien von den insgesamt 127.211 abgegebenen Stimmen für Êzîden, in den Wahlbezirken Duhok und Ninawa, rund 95.000 für ihre Kandidaten gewinnen konnte und damit rund 75% der abgegebenen Stimmen der Êzîden. Dennoch entsenden sie von ihren insgesamt 49 (ursprünglich 50, ein Kandidat der PUK verstarb jedoch vor den Wahlen an Herzversagen) êzîdîschen Kandidaten lediglich Viyan Dexîl in das irakische Parlament. Besonders verlustreich ist für die êzîdîsche Gemeinschaft die Niederlage von Dr. Mîrza Dinayî, der für die PUK angetreten war und mit 4.279 Stimmen den Einzug nicht schaffte.
Die weiteren 22 êzîdîschen Kandidaten der verschiedensten Parteien schaffen den Einzug nicht. Im Gesamtergebnis sind demnach 112.279 und somit 88% der abgegebenen Stimmen der Êzîden im Sand verlaufen. Diese hätten ausgereicht, um mind. 5 Êzîden ins Parlament zu entsenden, hätten die êzîdîschen Kandidaten sich in Ninawa vorher auf eine begrenzte Anzahl an Kandidaten verständigt. Das Stimmensplitting hätte dadurch verhindert werden können.
êzîdîPress, 22.05.2014