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Bielefeld. Die Êzîden in Deutschland haben einen neuen Zentralrat. Im Rathaus der Stadt Bielefeld wurde am Sonntag der „Zentralrat der Êzîden in Deutschland“ (ZÊD) gegründet. Insgesamt nahmen an der Gründung 29 êzîdîsche Vereine, Gemeinden und Organisationen teil, darunter der ehemalige Zentralrat der Yeziden (ZYD), die Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen (GEA) und zahlreiche weitere Organisationen im Bundesgebiet. Auch religiöse Würdenträger waren anwesend. Der ZÊD ist damit der größte, bundesweite êzîdîsche Dachverband in Deutschland. Der bisherige Zentralrat der Yeziden in Deutschland mit Sitz in Oldenburg wird sich – schrittweise – auflösen und Teil des neuen ZÊD werden. Erster Vorsitzender des neuen ZÊD ist der Politologe Dr. Irfan Ortac aus Gießen.

Dr. Irfan Ortac, Vorsitzender der ZÊD (privat)
Dr. Irfan Ortac, Vorsitzender der ZÊD (privat)

Der ZÊD soll neuer, unabhängiger Ansprechpartner für gesellschaftliche, politische und religiöse Angelegenheiten der Êzîden in Deutschland werden. Um eine bestmögliche Vertretung aller êzîdîschen Gruppen in Deutschland zu gewährleisten, wurden Vertreter aus allen Herkunftsgebieten der Êzîden geladen. Neu ist, dass es erstmals auch einen Religionsrat geben wird. Die genaue Zusammen- und Zielsetzung des Rates wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.

Neben den notwendigen Kompetenzen, die die Erstkandidaten für den Vorstand und andere Positionen innerhalb des ZÊD aufweisen müssen, wurde zudem festgehalten, dass keiner der Kandidaten „Mitglied und/oder Aktivist einer ausländischen politischen Partei“ sein darf, wie es in der Satzung heißt. Damit kommt der neue Zentralrat den Vorwürfen der Parteilichkeit zuvor, die nur zu oft gegen êzîdîsche Vereine – teils berechtigt – erhoben werden.

Ähnliche Bestrebungen scheiterten bereits im Jahr 2014, als die Einigungsgespräche vom Völkermord der Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Shingal überschattet wurden und sich die politischen Differenzen innerhalb der êzîdîschen Organisationen verstärkten. Die im Jahre 2014 aufgerissenen Gräben waren so tief, dass sie auch heute nicht überwunden werden konnten. So sagte die „Föderation der Ezidischen Vereine in Deutschland“, ein der PKK-nahestehender êzîdîscher Verband aus mehreren Vereinen, trotz Einladung ihre Teilnahme ab. Sie war nicht bereit, ihre politischen Aktivitäten einzustellen und Kompromisse einzugehen, wie es aus internen Kreisen heißt. Dabei war die Hoffnung groß, dass der in 2014 neu gewählte Vorstand der FKÊ eine Kehrtwende in der bisherigen parteipolitischen Ausrichtung der FKÊ macht. Ihre gestärkte Position vor dem Hintergrund des IS-Völkermordes an den Êzîden führte jedoch letztlich zu einer Intensivierung ihrer parteipolitischen Ausrichtung.

In Deutschland lebt weltweit die größte Diaspora-Gemeinschaft der Êzîden. Seit dem Völkermord in Shingal im Jahr 2014 sind rund 30.000 Êzîden nach Deutschland geflüchtet und haben die Zahl der Êzîden in Deutschland auf schätzungsweise über 150.000 erhöht. Nur im Nordirak leben derzeit noch mehr Êzîden, etwa 350.000. Viele von ihnen suchen jedoch aufgrund der katastrophalen Sicherheitssituation und vor ständiger Diskriminierung den Weg nach Europa.

Viele schwierige Herausforderungen stehen dem ZÊD bevor, die aber, und das haben die Verantwortlichen verstanden, nur durch eine Einheit zu bewältigen sind. Mit dem neuen Zentralrat und seiner übergreifenden Vertretung wird erstmals eine wichtige Weiche für die Zukunft der Êzîden in Deutschland gelegt. Auch die Wahl des ersten Vorsitzenden, Dr. Irfan Ortac, hätte in dieser Position kaum besser ausfallen können.

© ÊzîdîPress, 29. Januar 2017