[D]er heutige Tag verlief in Shingal relativ ruhig, kleinere Gefechte wurden aus dem Süden des Shingal-Gebirges gemeldet. Die gestrigen Angriffe der Terrormiliz „Islamischer Staat (IS)“ auf die Pilgerstätte Sherfedîn wurden von êzîdîschen Widerstandskämpfern der Verteidigungseinheit Shingals HPŞ mehrfach abgewehrt. Erste Dörfer konnten von YPG und HPG-Kämpfern in Bara und Shlo zurückerobert werden.
Grund für den verhältnismäßig ruhigen Tag waren vor allem Kämpfe zwischen der Peshmerga-Armee und der Terrormiliz IS in der syrisch-irakischen Grenzstadt Rabia im Norden von Shingal. Ersten Informationen zufolge sind alleine heute rund 30 IS-Terroristen von Peshmerga-Kräften südlich von Rabia getötet worden. Weiterhin erfolgten Luftschläge gegen IS-Stellungen nahe Mosul und in Tal Afar. Vor wenigen Minuten begannen erneut Luftangriffe gegen den IS in Mosul, wie ein ÊzîdîPress-Korrespondent mitteilte.
In einer heute veröffentlichten Mitteilung der Verteidiungseinheit Shingals HPŞ bemängeln leitende Kommandeure das Fehlen einer „ernsthaften Anstrengung“ der Zentralregierung Bagdads und der kurdischen Regionalregierung, den seit über drei Monaten belagerten Êzîden, insbesondere den Zivilisten im Gebirge, zu helfen. Trotz der „existenziellen Bedrohung“ für die Êzîden im Irak durch die Terrormiliz IS, fehle es nach wie vor sowohl an militärischer als auch an humanitärer Hilfe. Die sporadische Unterstützung der vergangenen Tage reiche nicht aus, um den Belagerungsring des IS zu durchbrechen oder die Zivilisten auf dem Gebirge ausreichend zu versorgen.
Nach dem Abzug der Peshmerga brach das gesamte Verteidigungssystem in Shingal zusammen, das entstandene Sicherheitsvakuum wurde hauptsächlich, neben YPG und HPG-Kämpfern, von êzîdîschen Widerstandseinheiten aufgefüllt und so eine vollständige Einnahme der Region durch den IS verhindert. Den Widerstandseinheiten fehlt es jedoch noch immer an schweren Waffen. Mit über 2.200 Widerstandskämpfern ist die HPŞ die größte Einheit im Kampf gegen den IS in Shingal.
Insbesondere an die Regionalregierung Kurdistans richtet sich die Kritik der HPŞ, die aus Sicht der êzîdîschen Kommandeure ihren Pflichten nicht nachkommt. Zudem kritisieren die Kommandeure die mediale Berichterstattung kurdischer Medien, die zu sehr von den Parteiinteressen beeinflusst sei und Tatsachen über den Völkermord an den Êzîden beschönigen, teilweise auch falsch wiedergeben.
Besorgniserregend bleibt die humanitäre Situation im Shingal-Gebirge, die von êzîdîschen Widerstandskämpfer als „katastrophal“ bewertet wird. Es fehlt nach wie vor an medizinischer Versorgung, an genügend Nahrung und Trinkwasser, insbesondere aber Milch für hunderte Kleinstkinder sowie warmer Kleidung, Schuhen und Zelten. Kommandeure der HPŞ warnen vor dem Hintergrund des nahenden Winters daher vor einer „humanitären Katastrophe“, die sich im Shingal-Gebirge anbahnt.
êzîdîPress, 18. Nov. 2014