Sehr geehrte Damen und Herren,

im Nordirak ist die Stadt Sinjar von den Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) eingenommen worden. Die kurdischen Streitkräfte waren dem Angriff nicht gewachsen. In Sinjar und den umliegenden Dörfern leben überwiegend Yeziden, und zwar einige hunderttausend Menschen. Die Flucht in die Berge des Sinjar Jebel gelingt nur wenigen, und zudem bietet der kahle Höhenzug kaum Verstecke. In der Hitze sind bereits zahlreiche Menschen verdurstet. In Shingal sind etwa 100 Frauen und Mädchen entführt worden, 30 Männer wurden hingerichtet. Berichte über Massaker aus den umliegenden Dörfern häufen sich. Der ehemalige Gouverneur von Mosul erklärte am Sonntag: „In den nächsten Stunden werden Tausende Yeziden massakriert, verhungern oder verdursten, wenn wir nicht handeln“ (Ezidipress.com).

Wir stehen vor einem Völkermord, der in seinen Ausmaßen nur vergleichbar ist mit den Massakern in Ruanda und Darfür, wo hunderttausende von Menschen unter den Augen der Welt abgeschlachtet wurden.

In Syrien und im Irak hat die ISIS, jetzt IS, bereits ungezählt viele Menschen im Wortsinne abgeschlachtet, ihnen mit Macheten die Köpfe abgeschlagen und die Körper in der Sonne verwesen lassen, wie auch im ZDF-Auslandsjournal berichtet wurde.
Die Gemeinschaft der yezidischen Vereine in Deutschland hat bereits Mitte Juni über die tödliche Gefahr informiert und darauf hingewiesen, dass auch für Christen und Mandäer die Herrschaft der ISIS den sicheren Tod bedeutet. Dass diese Einschätzung realistisch ist, hat sich seit Jahren bestätigt. Betroffen sind die Yeziden in besonderer Weise. Die yezidische Religion mit ihrer 4000-jährigen Geschichte, die keine Missionierung kennt, ist über Jahrhunderte in der islamischen Welt bekämpft worden. Wir gelten als Ungläubige, deren Vernichtung von fanatischen Moslems als gute Tat gepriesen wird. Eine Hemmschwelle vor Mord gibt es gegenüber den Yeziden bei den Dschihadisten nicht.

Schon vor der Eroberung von Shingal hatten die Anschläge auf Yeziden – wie auch auf andere religiöse Minderheiten – zugenommen. Seit dem Bombenanschlag von 2007 auf die Yeziden in der Shingal-Region, bei dem 500 Yeziden getötet wurden, gab es ständig und besonders in den letzten Monaten Überfälle mit Entführungen, Folterungen, Vergewaltigungen und gezielte Morde. Auch die wenigen Yeziden in Nordsyrien wurden zu Opfern, wobei die Täter die Köpfe der Ermordeten vor die Haustüren der alten Hinterbliebenen legten.

Die Minderheiten wurden im Irak traditionell und besonders in jüngster Zeit aufgrund der Machtkämpfe ausgegrenzt. Zu den Medien haben sie kaum Zugang, Daher sind sie für die Islamisten die leichteste Beute. In Shingal, ihrem Siedlungsgebiet, haben die Yeziden keinerlei eigene Rechte, sie können sich nicht verteidigen. In einigen Dörfern haben yezidische Zivilisten versucht, mit den wenigen Waffen, die sie auftreiben konnten, die Flüchtlinge vor der IS für einige Stunden zu schützen.

Wenn die IS-Terroristen durch ihre Eroberungen an militärischer Stärke zunehmen, werden auch die Kurden und alle Flüchtlinge im Nordirak und Syrien gefährdet. Im Libanon und in Jordanien ist die IS bereits aktiv. Den Verantwortlichen in der Türkei sollte mit Hinweis auf die türkischen Geiseln der IS in Mosul deutlich gemacht werden, dass die Schwächung der kurdischen Autonomie-Region zugunsten der IS nicht im Interesse ihres Landes ist.

Um den Genozid, der jetzt im Nordirak droht, und eine Kette weiterer Massenmorde zu verhindern, sind vor allem die Länder, die in den Vereinten Nationen Einfluss und damit eine besondere Verantwortung haben, dringend gefordert, militärisch das Schlimmste zu verhindern und diejenigen zu unterstützen, die noch Widerstand leisten. Dass eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen möglich ist, hat das militärische Eingreifen im früheren Jugoslawien gezeigt. In diesem Sinne appellieren wir auch an die Bundesregierung, sich mit den Partnerländern auf ein schnelles Vorgehen zu verständigen.

Es ist höchste Zeit zum Handeln.

In Deutschland veranstalten die yezidischen Gemeinden mehrere Kundgebungen. Die yezidischen Vereine in Deutschland planen eine zentrale Kundgebung.

Für nähere Informationen stehen wir gern zur Verfügung.

Zentralrat der Yeziden in Deutschland
Navenda Sêwirdariya Êzîdiyan li Almanya
Eidechsenstraße 19, 26133 Oldenburg
www.yeziden.de, zentralrat@yeziden.de
Fon: 0049 (0) 441 4850555, Fax: 0049 (0) 441 4850557
Mobil: 01709365558

Föderation der Ezidischen Vereine in Deutschland e.V. (FKÊ), Zentralrat der Yeziden in Deutschland, E-ZI-DI – Yezidischer Verein in Ostfriesland e.V. (Leer), Ezidische Gemeinde Emmerich e.V., Ezidische Gemeinde Hessen e.V. (Gießen), Ezidische Gemeinde Nienburg e.V., Ezidische Gemeinde OWL e.V. (Bielefeld), Ezidische Gemeinde Sulingen e.V., Ezidische Gemeinde Wesel e.V., Ezidische Jugend e.V. (Saarland), Ezidischer Kulturverein Heidekreis e.V., Ezidisches Kultur-Zentrum in Celle und Umgebung e.V. (Celle), Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen (GEA), Kaniya Sipi e.V. (Bielefeld), Verein der Eziden am unteren Nieder-rhein e.V. (Kalkar), Verein der Eziden am unteren Niederrhein e.V. (Kleve), Vereinigung der Yeziden aus Syrien, Yezidi-European-Society (YES) e.V., Yezidische kulturelle Zentrum in Oldenburg und Umgebung e.V., Yezidisches Forum e.V. (Oldenburg), Yezidische Gemeinde in Gütersloh e.V., Yezidische Gemeinde Osterholz-Scharmbeck e.V.