Êzîden aus der Türkei, Ende der 80er Jahre (by Giesela Prieß)
Êzîden aus der Türkei, Ende der 80er Jahre (by Giesela Prieß)

Bereits 2006 wurde im Rahmen eines Gutachten von einem êzîdîschen Dorfvorsteher in der Türkei festgehalten: „Wir Yeziden, die hier leben, können uns hier aufhalten, weil wir muslimischen Stämmen Erpressungsgelder geben. Dies gilt für alle Yeziden, die in Wêranşar (tr. Viranşehir) leben.[i]

Die Situation hat sich seit 2006 für Êzîden nicht gebessert, im Gegenteil. Mehrere Êzîden aus der Türkei, die namentlich nicht genannt werden wollen, sagten uns in einem vertraulichen Gespräch: „Wir werden bedroht, uns wird das Leben schwer gemacht. Uns bleibt nur die Flucht nach Deutschland zu unseren Verwandten“.

Bedroht werden sie nicht etwa direkt vom Staat oder von staatlichen Institutionen, sondern von muslimischen Kurden, die mit ihnen in der Region leben und sie aufgrund ihrer religiösen Angehörigkeit in diskriminierender Weise begegnen. Vom Staat erhalten sie keine Hilfe. Ein besonders empörender Fall wurde uns ebenfalls von einem Êzîden wie folgt beschrieben: “Nachdem ich mich beim Karakol (türk. Militärstation) darüber beschweren wollte, dass mein Bruder vor einigen Tagen von mehreren Kurden zusammengeschlagen wurde, sah ich, wie dieselben Kurden zusammen mit dem Offizier aus dem Karakol kamen. Sie sagten mir, sie würden es uns, den Êzîden, schon zeigen was es heißt sich als Ungläubige mit Muslimen anzulegen. Seitdem trauen wir uns nicht mal uns zu beschweren. Wir müssen alle Schikanen und Bedrohungen hinnehmen[ii]

Die Êzîden aus der Türkei sind insbesondere in den 1960er Jahren und vermehrt während der 90er Jahre aus der Türkei geflüchtet. Die Gründe hierfür waren der Krieg der Kurden und der Türkei sowie die andauernde gesellschaftliche Stigmatisierung, da Êzîden als Nicht-Muslime seitens der Mehrheitsbevölkerung nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt wurden. Dabei wurden immer wieder obszöne Fälle bekannt: Holte ein Êzîdî Wasser aus einem Brunnen, der für mehrere Dörfer als Trinkwasserquelle diente, so galt der Brunnen für muslimische Kurden fortan als „haram“, also unrein. Den Kindern erzählte man, Êzîden seien böse Menschen mit Hörnern auf dem Kopf und hätten Flügel. Trotz der über 20 – 40 jährigen Abwesenheit der Êzîden, ist das diskriminierende Bild muslimischer Kurden erhalten geblieben.

Es bleibt fraglich, ob dieser Umstand den Êzîden bekannt ist, die seit kurzer Zeit versuchen alte Eigentumsrechte an ihren Dörfern in der Türkei wiedergeltend zu machen.

Mehrere zehntausende Êziden sind nach Europa, vor allem nach Deutschland, emigriert. Nur noch wenige Êzîden sind in der Türkei geblieben. Von den ca. 60.000 Êzîden aus der Türkei, sind schätzungsweise nur rund 500 verblieben.

êzîdîPress, 16.11.2013


[i] Stellungnahme zur Situation der Yeziden in der Türkei, http://yeziden.de/fileadmin/yeziden/pdf/Yeziden_T_rkei.pdf

[ii] hier sei angemerkt, dass die obszönen Äußerungen des Offiziers dem normalen Sprachgebrauch angepasst wurden.