Özkan Gören (li.) und Said Dag, beide êzîdîsche Anwälte, wurden in der Türkei festgenommen (privat)
Özkan Gören (li.) und Said Dag, beide êzîdîsche Anwälte, wurden in der Türkei festgenommen (privat)


Viranşehir. In der Türkei sind die beiden letzt verbliebenen êzîdîschen Anwälte verhaftet worden. Den Angaben zufolge haben türkische Spezialkräfte in der Stadt Viransehir am 11. Dezember die beiden Anwälte verschleppt. Dies teilte der Verband der Ezidischen Juristinnen und Juristen (VEJ) aus Deutschland mit. In einer Stellungnahme fordert der VEJ die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien und die Freilassung der beiden Anwälte.

Die Stellungahme im Wortlaut:

Letzte Êzîdische Akademiker in der Türkei verhaftet

Letzte noch in der Türkei verbliebene Êzîden verhaftet- zwei junge Anwälte verschleppt.

Özkan Gören
Özkan Gören

Am 11. Dezember 2016 wurden die dort ansässigen êzîdischen Rechtsanwälte, Özkan Göran  (aus Xirbe Belek) und Said Dag (Kerne), in der Stadt Viransehir, bei Urfa, von einer türkischen Spezialeinheit verhaftet und verschleppt. Bis jetzt gibt es keine Anhaltspunkte für den Grund ihrer Verhaftung und genauso wenig weiß man, in welchem Gefängnis sie untergebracht sind.

Damit macht das türkische Rechtssystem nicht mal vor den letzten Menschen einer religiösen Minderheit, die vorwiegend vor dem Terror des türkischen Staates vor mehr als 30 Jahren nach Deutschland geflohen sind, halt. 

Seit dem August 2014 wird an den Êzîden im Irak ein Völkermord begangen. Verantwortlich für diesen noch andauernden Völkermord ist der sog. Islamische Staat, der wiederum seine Unterstützer unter anderem in der Türkei, Saudi Arabien und Kuweit hat. Noch heute sind über 5000 Frauen, Kinder und alte Menschen in der Gefangenschaft des IS , im Nord-Irak und Syrien. Viele êzîdische Vertriebene sind auch in die Türkei geflüchtet. Der türkische Staat macht ihnen Schwierigkeiten, weil sie ja illegal in die Türkei geflüchtet sind. Für diese Menschen begannen nun türkische bürokratische Hindernisse und auch Verhaftungen.

Unsere beiden êzîdischen Rechtsanwälte taten nun das, was jeder von uns in diesem Moment getan hätte. Nämlich in ehrenamtlicher Hinsicht zu helfen und einen rechtlichen Beistand zu leisten.

Said Dag
Said Dag

Dass in der jetzigen Zeit die in der Türkei lebenden Menschen eine solche Hilfe benötigen zeigt auch die Stellungnahme von Amnesty International. Laut einer öffentlichen Stellungnahme von Amnesty International vom 30. Juni 2016 werden die Sicherheitsoperationen in der Südtürkei außerhalb des rechtlichen Rahmens (<<Beyond the Reach and Protection out oft the Law>>) durchgeführt. Dies zeige die wachsende Zahl an Beweisen über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen einschließlich Folter sowie Straffreiheit nach eben solchen Verbrechen. Gemäß Human Rights Watch (HRW) riskieren Personen, die gegen die Ausganssperre verstossen , nicht nur ein Bussgeld von 100 Türkischen Lira (rund 33 CFr). HRW dokumentierte Fälle von Personen, die sich hinauswagten und unter Beschuss gerieten oder verhaftet wurden ( so zuletzt https://www.flüchtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/tuerkei/16085-tur-sicherheitslage-suedosten.pdf)

Ob man unter diesen Umständen überhaupt noch von einem Rechtsstaat Türkei sprechen kann, mag dahingestellt sein. Feststeht aber, dass die Spannungen innerhalb der Bevölkerung so zugenommen haben, dass keiner dem Anderen mehr Vertrauen und Anerkennung schenkt. Auch der Hass hat zugenommen. Die gilt auch für religiöse und kulturelle Konflikte. Dass unter diesen Gegebenheiten die betroffenen Menschen und die Flucht aus der Türkei suchen, ist mehr als verständlich. Der türkische Staat steht vor dem Anfang seines Endes und in dieser Situation stellt sich die Frage, wie man diesen beiden jungen êzîdischen Rechtsanwälten, die etwa Mitte 20 sind und jeweils drei Kinder haben helfen kann.

Wir fordern

– die Freilassung unserer beiden ezidischen Rechtsanwälte,
– die  Einhaltung  von rechtsstaatlichen Prinzipien,
– faires und neutrales Verfahren sowie
– den Kontakt zu ihren Familienangehörigen und rechtlichen Beistand zu ermöglichen.

Verband Ezidischer Juristinnen und Juristen                                                   15.12.2016

Vej-ev.de

kontakt@vej-ev.de