Êzîdîscher Friedhof Hacrê in der Türkei
Êzîdîscher Friedhof Hacrê in der Türkei

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[H]acrê. Zum wiederholten Male ist der êzîdîsche Friedhof im Dorf Hacrê im türkischen Landkreis Beşirî geschändet worden. Die dort ansässige Bevölkerung belästigt die Friedhofsruhe immer wieder – obwohl in der Region kaum noch Êzîden leben.

Beschädigtes Grab auf dem Friedhof Hacrê
Beschädigtes Grab auf dem Friedhof Hacrê

Erst kappte man die Wasserversorgung des Friedhofes in Hacrê, um die Erhaltung der Gräber und deren Pflege zu verhindern. Dann wurde die Auffahrt zum Friedhof blockiert. Vor wenigen Tagen beschädigten und beschmutzen Herden lokaler Hirten die Gräber schließlich. Der Hirte öffnete das Stahltor des ummauerten Friedhofes und ließ seine Herde unbeaufsichtigt. Trotz genügend Weideflächen in der direkten Umgebung.

Von dem einst êzîdîschen Dorf Hacrê ist lediglich der Friedhof geblieben, die Bewohner sind vor der gesellschaftlichen und staatlichen Stigmatisierung wie fast alle Êzîden in den 80er und 90er Jahren mehrheitlich nach Europa emigriert.

Auf eine Anzeige verzichten Angehörige, deren Verstorbenen auf dem Friedhof beigesetzt sind, obwohl die Täter bekannt sind. Die Behörden reagierten bereits in zahlreichen Fällen der Vergangenheit nicht. Die Anzeigen selbst jedoch führten zu einer Zunahme der Repressionen gegenüber den weiterhin in der Region lebenden Êzîden.

Herde auf dem Friedhof in Hacrê
Herde auf dem Friedhof in Hacrê

„Wir können die Gräber nicht ständig bewachen, das nutzen die Bewohner in der Umgebung natürlich aus. Dahinter stecken nichts anderes als Ressentiments gegenüber Êzîden, der sich dann mit der Beschädigung der êzîdîschen Friedhöfe offenbart“, erzählt eine Êzîdîn, deren Angehörigen in Hacrê beigesetzt sind und namentlich nicht genannt werden möchte. In der Nähe des Dorfes Hacrê befindet sich auch ein Flüchtlingslager mit etwa 1.200 Êzîden aus Shingal.

Im Dorf Khirbebelek, nahe der Stadt Viranşehir, wurde März vergangenen Jahres bereits ein Friedhof geschändet, die Gräber beschmiert und teilweise zerstört.

Êzîden, die in Deutschland und andernorts leben, bestatten ihre Angehörigen nach wie vor in den Familiengräbern ihrer ehemaligen Dörfer. Seit einigen Jahren versuchen sie auch vermehrt in ihre Dörfer zurückzukehren, werden von der lokalen Bevölkerung aber daran gehindert. Rückkehrer werden bedroht, so wie vor wenigen Monaten im Dorf Efşê. Oder ihr Grundbesitz wird gleich mithilfe des türkischen Militärs, wie vor einem Jahr im Dorf Qorikh geschehen, enteignet.

In der Türkei haben noch etwa 500 bis 600 der ursprünglich 80.000 Êzîden ihren ständigen Wohnsitz. Neben dem Iran ist die Türkei damit einer der Staaten, aus dem die Êzîden fast gänzlich vor religiöser, gesellschaftlicher und politischer Verfolgung geflüchtet sind.

Nachtrag, 9. März 2015: Uns wurde mitgeteilt, dass sich der Vorfall bezüglich der Herde auf dem Friedhof nicht gegen den Willen der Angehörigen ereignete. Die Vorfälle der Vergangenheit bleiben weiterhin bestehen. 

© ÊzîdîPress, 3. März 2015