Êzîdîsche Pilgerstätte im Süden des Shingal-Gebirges: In die Luft gesprengt von IS-Terroristen
Êzîdîsche Pilgerstätte im Süden des Shingal-Gebirges: In die Luft gesprengt von IS-Terroristen


[S]hingal. Als die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) im August vergangenen Jahres in das Hauptsiedlungsgebiet der êzîdîschen Minderheit in Shingal im Nordirak einfällt, versuchen die IS-Terroristen die Identität und Kultur der „Ungläubigen“ vollständig auszulöschen. Dazu gehörte neben der Ermordung und Entführung tausender Êzîden auch die Zerstörung der lokalen Pilgerstätten der Êzîden, die zu Dutzenden in der Region verstreut sind. Monatelang attackierte die IS-Terrormiliz die zweitwichtigste Heiligenstätte der Êzîden Sherfedin am nordöstlichen Hang des Gebirges. Den êzîdîschen Widerstandskämpfern gelingt es die Angriffe abzuwehren, Zerstörungen kleinerer Pilgerstätten im Süden hingegen können sie nicht verhindern. Bilder von der Zerstörungswut seiner „Gottes-Krieger“ veröffentlicht die Propagandabeteilung der Terrormiliz in den Sozialen Netzwerken. Unter den Heiligtümern sind teilweise jahrhundertealte Bauwerke.

So sind vor allem im Süden der Shingal-Region mehrere êzîdîsche Pilgerstätten in die Luft gesprengt und zerstört worden. Im Dorf Jidalê etwa, wo die Terrormiliz im vergangenen Jahr Dutzende Êzîden samt der lokalen Heiligenstätte in die Luft sprengte. Aber auch Gedenkstätten im Nordwesten Mosuls, in der Sheikhan-Region, wurden bereits zerstört.

In Shingal und im sicheren Norden der Sheikhan-Region haben die Êzîden mit dem Wiederaufbau ihrer Heiligenstätte begonnen. In Shingal wurde kürzlich das Grabmal von Shebel-Kasim, einem êzîdîschen Heiligen, wiederaufgebaut. In einer am 23. Mai veröffentlichten Erklärung kritisierte die „Generaldirektion für êzîdîsche Angelegenheiten“ in der Autonomen Region Kurdistan das Vorgehen jedoch, da der Neuaufbau „ohne Zustimmung des Religiösen Rates“ und „ohne Genehmigung der Behörden“ erfolgt sei. Der Wiederaufbau werde von „gewissen politischen Parteien ausgenutzt, um ihr Ansehen innerhalb der êzîdîschen Gemeinschaft zu verbessern“, heißt es in der fadenscheinigen Erklärung. Ohne den Namen einer bestimmten Partei zu nennen, meint die Generaldirektion die Hilfe der PKK, die den Wiederaufbau von Shebel-Kasim unterstützt.

Geleitet wird die Generaldirektion seit Jahren vom Êzîden Kheri Bozani, der Mitglied und Verfechter der Regierungspartei PDK ist. Der PDK, der Partei des südkurdischen Präsidenten Mesud Barzani, ist die Anwesenheit der PKK in Shingal ein Dorn im Auge. So hinderte die PDK mithilfe ihrer Peshmerga-Milizen monatelang vor dem Genozid in Shingal PKK-Einheiten daran, in Shingal Fuß zu fassen. Nachdem die Truppen der Peshmerga Anfang August aus Shingal flüchteten, rückten Kämpfer der PKK in die Region vor und befreiten Zehntausende im Shingal-Gebirge eingeschlossene Êzîden. Im Gebirge hat der bewaffnete Flügel der PKK, die HPG, nun mehrere Lager errichtet und eine êzîdîsche Miliz aufgestellt.

Auch Schulunterricht bietet die PKK den êzîdîschen Kindern im Gebirge an. Die Errichtung solcher Schulen, bisher etwa sechs, in denen auch die Ideologie und der Personenkult um PKK-Führer Abdullah Öcalan an die Kinder weitergegeben wird, wurde von der kurdischen Regierung ebenfalls scharf kritisiert.

Kheri Bozani fordert in der Erklärung den „sofortigen Stopp“ der Baumaßnahmen am Grabmal von Shebel-Kasim. Eine Reaktion seitens der Êzîden in Shingal oder der PKK erfolgte bislang nicht. Auch der Religiöse Rat äußerte sich bisher nicht.

© ÊzîdîPress, 28. Mai 2015