Rekruten der Sicherheitskräfte Êzîdxans legen ihren Eid ab (ANF)
Rekruten der Sicherheitskräfte Êzîdxans legen ihren Eid ab (ANF)


Shingal. Die êzîdîsche Widerstandseinheit Shingals (YBŞ) hat in der nordirakischen Region Shingal eine eigene Ausbildungsstätte für Sicherheitskräfte gegründet. Den „Sicherheitskräften Êzîdxans“ (kurd. Asayîşa Êzîdxan), so der Name der neuen Einheit, gehören bisher 40 Êzîden an, die unter eigenem Abzeichen in den von der YBŞ kontrollierten Gebieten patrouillieren sollen.

Die YBŞ wird offiziell von der irakischen Regierung finanziert und von der PKK ausgebildet und unterstützt. Hussein Erzurum, einer der Befehlshaber der Sicherheitskräfte Êzîdxans, sagte gegenüber der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF anlässlich der Gründung, „die einzig richtige und angemessene Reaktion auf den Völkermord ist die Stärkung der eigenen Selbstverteidigung“. Die êzîdîschen Sicherheitskräfte, die offiziell zwar nicht der YBŞ unterstehen aber Teil ihres Sicherheitsapparates sind, sollen vor allem die bisherige Abhängigkeit von institutionellen Kräften lösen.

Das verlorene Vertrauen in die irakischen Sicherheitskräfte und der kurdischen Peshmerga, die durch ihre Flucht den Völkermord der Terrormiliz „Islamischer Staat“ an den Êzîden erst ermöglichten, sitzt bei vielen Êzîden tief. Kurz nach Beginn des Völkermordes am 3. August 2014, begannen PKK- und YPG-Einheiten die êzîdîsche Widerstandseinheit YBŞ zu gründen, die an zahlreichen, erfolgreichen Operationen gegen die Terrormiliz IS partizipierte.

Heute umfasst die YBŞ-Einheit über 2.000 KämpferInnen und ist nach der Verteidigungskraft Êzîdxans (HPÊ) die zweitgrößte êzîdîsche Kampfeinheit. Auch ein Frauenbattalion aus mehreren Dutzend Frauen gehört der YBŞ an, die, anders als die sog. „Sun-Girls“ der Peshmerga, tatsächlich an direkten Kampfhandlungen beteiligten waren und sind.

Die PKK stärkt damit direkt die êzîdîsche Unabhängigkeit und die von vielen geforderte Selbstverwaltung. Andererseits durchbricht sie mit der eigenständigen Gründung der Sicherheitskräfte die Legitimationskette, da bis heute über 90% der Êzîden nicht nach Shingal zurückgekehrt sind. Zudem können die Sicherheitskräfte nur in den von der YBŞ/PKK kontrollierten Gebieten im Westen der Shingal-Region ihrem Dienst nachgehen. Eine Verhärtung der Fronten mit rivalisierenden Parteien und Kampfeinheiten, vor allem aber die regionale, parteipolitisch bedingte Spaltung der Region wird damit zunehmen.

Die kurdische Regierung unter der PDK allerdings, der sowohl die YBŞ als auch die Anwesenheit der PKK ein Dorn ist, hat bis heute keinerlei Schritte unternommen, auf die sich drastisch veränderte Situation in Shingal politisch adäquat zu antworten.

In der Shingal-Region ermordeten die IS-Terroristen nach UN-Angaben über 5.000 Êzîden und verschleppten und versklavten bis zu 7.000 weitere, überwiegend Frauen und Kinder. In der Gefangenschaft sind die ÊzîdInnen systematischer sexueller Gewalt ausgesetzt. Die UN-Menschenrechtskommission, das US-Außenministerium, das britische Parlament, das Europäische Parlament sowie eine unabhängige UN-Kommission des Menschenrechtsrates haben die Verbrechen des IS an den Êzîden als Völkermord bewertet und verurteilt. Frauen und junge Mädchen werden in der Gefangenschaft täglich teils mehrfach vergewaltigt, Jungen in militärischen Ausbildungslagern zu neuen Djihadisten gedrillt. Auch nach fast zwei Jahren befinden sich weiterhin über 3.000 ÊzîdÎnnen in IS-Gefangenschaft.

© ÊzîdîPress, 10. Juli 2016