Sinunê. Seit Wochen wüten in den ländlichen Regionen im Irak und Syrien verheerende Brände und haben bereits Hunderte Hektar Ackerland zerstört. Bauern und die auf ihre Produkte angewiesenen Zivilisten sehen sich trotz erwarteter guter Ernte einem katastrophalen Ertragsjahr entgegen. Das aus dem Weizen hergestellte Brot versorgt Millionen Menschen. Hinter den Feuern vermuten viele die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), deren Politik der verbrannten Erde bereits in der Vergangenheit etwa in der nordirakischen Region Shingal weitrechende Lebensgrundlagen zerstörte und nun zur neuen Kriegswaffe geworden ist. Zwar bekannte sich der IS bereits in seinem Nachrichtenmedium al-Naba zur Brandstiftung im Irak und Syrien, die Ursachen aber sind bei Temperaturen von bis zu 50° Celsius vielfältig.

In der Shingal-Region sind bei Löschversuchen in der Nacht von Samstag auf Sonntag zwei êzîdîsche Bauern in den Flammen umgekommen. Sie versuchten, das in der Nacht ausgebrochene Feuer im Osten der Region eigenhändig zu löschen – eine Feuerwehr existiert in Shingal nicht. Die Infrastruktur der Region liegt auch nach fast fünf Jahren Völkermord noch immer brach. Den Bauern in der gesamten Region stehen lediglich zwei Löschfahrzeuge zur Verfügung, wie ein êzîdîscher Verantwortlicher kritisierte. Diese werden von Zivilisten geführt. Zur Bekämpfung der Brände aber wären mehrere Löschzüge erforderlich.

Brennender Horizont im Osten der Shingal-Region im Nordirak, 9. Juli 2019 (Yazda)

Die irakische Regierung erklärte, dass Hilfstruppen in die Region gesandt werden sollen, die die Brände eindämmen sollen. Dutzende Hektar Acker sind jedoch bereits verloren und haben die einzige Lebensgrundlage vieler Bauern zerstört. Nur zögerlich kehrten in den vergangenen Monaten Êzîden in die Region zurück, um ihre Felder zu bestellen. Zu groß ist die Angst, dass auf den Feldern nach wie vor improvisierte Sprengsätze der IS-Terrormiliz liegen könnten. Die hauptsächlich von den USA finanzierte Sprengmittelbeseitigung in Shingal war auf die Stadt Shingal und Dorfkomplexe konzentriert.

In Shingal sind mehrere Dörfer akut von den Bränden gefährdet. Diese drohen von den Flammen umschlossen und niedergebrannt zu werden. Die Brunnen, aus denen die Bewohner Wasser zur Bekämpfung der Feuer gewinnen könnten, wurden vielerorts von der Terrormiliz IS in den Jahren ihrer Herrschaft über die Region zugeschüttet.

Dichte Rauchwolke über einer Ackerfläche in Shingal (Juni 2019)

Die êzîdîsche NGO Yazda erklärte, dass auch Massengräber – Beweise des Völkermordes an den Êzîden – von den Bränden gefährdet sind. In der Region konnten bisher über 80 Massengräber mit Opfern der IS-Terrormiliz gefunden werden. Die Mehrzahl liegt auf offenem Feld und ist gegen das Übergreifen von Feuer nicht geschützt.

In den vergangenen Tagen kursierten in den sozialen Netzwerken innerhalb der êzîdîschen Gemeinschaft Bilder, auf denen sich die Terrormiliz IS offenbar zur Brandstiftung in Shingal bekannt hatte. Bei diesen Bildern handelte es sich jedoch um Bilder aus der syrischen Region Idlib. Im Süden des Bezirks existiert ein kleines Dorf, dass ebenfalls den Namen „Sinjar“ bzw. „Shingal“ trägt. Auch dort kam es auf einer Ackerfläche zu einem Feuer. Betreffende Bilder wurden jedoch von der syrischen Organisation der „Weißhelme“ gemacht, die Bomben des syrischen Regimes und russischer Kampfjets für die Brände verantwortlich macht.

Neben den Brandstiftungen begünstigen Temperaturen von bis zu 50° Celsius die natürliche Entstehung der Brände. Am Sonntagabend entfachte in der Shingal-Region ein breiter Streifen an Büschen und trockenem Gestrüpp. Das Lauffeuer setzte den Horizont kilometerlang in Flammen. Angesichts der außer Kontrolle geratenen Feuer, flüchteten viele Menschen aus den anliegenden Dörfern noch in der Nacht.

Die Brände stürzen die gebeutelte Region Shingal und zögerlich zurückgekehrten Bewohner noch tiefer in die Krise. Immer wieder versuchen Bauern, die Brände mit einfachen Gießkannen zu löschen und begeben sich damit in Lebensgefahr. Für sie sind die leicht entzündlichen Acker Segen und Fluch zugleich.

Bereits vor dem Völkermord und der bis heute anhaltenden Krise galt die Shingal-Region als die ärmste des Iraks. Hier lebten die Menschen in einfachsten Verhältnissen und überwiegend von der Landwirtschaft. Viehzucht und Weizenanbau bildeten die Hauptversorgung und waren oft die einzige Einnahmequelle der Menschen. Hunderte dieser Viehherden hat die Terrormiliz IS in den vergangenen Jahren gewaltsam in Besitz genommen, in andere Regionen getrieben oder sie in einem der zahlreichen Brände zu Tode kommen lassen. Die derzeitigen, auch vom IS gelegten Brände, zeigen, dass die Region weit von einem Frieden entfernt ist.