Til Ezer. In der nordirakischen Region Shingal sind Überreste von Frauen und Kinder gefunden worden. In Til Ezer, einer Ortschaft im Süden der Region, haben Aktivisten der „Êzîdîschen Organisation für Dokumentation“ am vergangenen Freitag die Knochen zahlreicher Frauen und Kinder in einem verlassenen Haus vorgefunden. Die Überreste, die anhand ihrer Kleidungsstücke als Frauen und Kinder identifiziert werden konnten, waren offenbar in dem Haus von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ festgehalten worden.

Überreste einer offenbar êzîdîschen Frau in einem IS-Gefängnis in Til Ezer (16.11.2018 EOD)

Knochen, Kleidung und Schuhe, die die Opfer teilweise noch trugen, weisen eindeutig auf Frauen und Kinder hin, erklärte einer der Aktivisten gegenüber ÊP. Die Türen des Gebäudes wurden wie für provisorische IS-Gefängnisse üblich mit Gittertüren versehen. Im Gebäude selbst waren lediglich dünne Decken vorzufinden, auf denen die versklavten êzîdîschen Frauen und Kindern ausharren mussten. Wie viele ÊzîdInnen in dem Gebäude zu Tode kamen ist bisher nicht klar. Auch die genaue Todesursache ist noch nicht bekannt.

IS-Gefängnis in Til Ezer, in dem Überreste von êzîdîschen Frauen und Kindern entdeckt wurden (16.11.2018 EOD)

Die Fundstelle soll nun dem UN-Expertenteam, das derzeit die Verbrechen der IS-Terrormiliz im Nordirak untersucht, mitgeteilt werden. In der gesamten Shingal-Region sind bisher über 70 Massengräber entdeckt worden. Das Dorf Til Ezer war vom Völkermord der Terrormiliz IS mitunter am schwersten betroffen. Noch immer werden dutzende ÊzîdInnen aus dem Dorf vermisst.

Überreste von ÊzîdInnen in einem IS-Gefängnis in Til Ezer (16.11.2018 EOD)

Am 14. August 2007 verübten islamistische Extremisten der Al-Qaida in Til Ezer einen der weltweit schwersten Bombenanschläg, bei denen bis zu 800 ÊzîdInnen getötet wurden. US-Militärs werteten den Angriff als Akt der „ethnischen Säuberung“.

Am 3. August 2014 überrannte die IS-Terrormiliz das Hauptsiedlungsgebiet der êzîdîschen Minderheit in der nord-irakischen Region Shingal und verübte einen Völkermord an der Zivilbevölkerung. Etwa 10.000 Êzîden fielen dem Genozid direkt zum Opfer, wie eine erste Studie der renommierten Londoner LSE Universität zeigt. Rund 2,2% der êzîdîschen Bevölkerung wurden der Studie nach getötet oder verschleppt. 400.000 weitere mussten aus ihrer Heimat fliehen. Rund 7.000 hauptsächlich êzîdîsche Frauen und Kinder wurden gefangen genommen, versklavt und systematischer sexueller Gewalt ausgesetzt. Ziel des IS sei es, die „Jesiden als Gruppe zu vernichten“ so UN-Ermittler. Das Europäische Parlament, die UN-Menschenrechtskommission sowie zahlreiche Staaten, darunter die USA, Frankreich und Großbritannien, haben die Verbrechen des IS gegenüber den Êzîden als Völkermord eingestuft. Mit der anhaltenden Gefangenschaft von schätzungsweise 2.500 bis 3.000 Frauen und Kindern handelt es sich um einen bis heute fortgesetzten Völkermord, erklärten Vertreter der UN mehrfach.

 © ÊzîdîPress, 18. November 2018