Shingal. In der Nacht von Sonntag auf Montag hat die türkische Luftwaffe zahlreiche Ziele im Nordirak bombardiert. Das türkische Militär bestätigte am Montag die Angriffe und erklärte, dass Kampfjets und unbemannte Drohnen im Rahmen der Operation „Adlerkralle“ Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Nordirak zerstört hätten, darunter auch Ziele in der êzîdîschen Region Shingal. Das türkische Militär veröffentlichte Bilder aus der Kommandozentrale der türkische Luftwaffe, die den türkischen Verteidigungsminister in jubelnder Pose zeigen.

Êzîdîsche Augenzeugen berichten von weit über 20 Raketen und Bomben, die vor allem auf und nahe des Gebirges eingeschlagen sind. Mehrere Luftschläge erfolgten nahe des höchsten Gipfels des Shingal-Gebirges, Çilmêra, wo sich unweit auch ein êzîdîsches Flüchtlingslager befindet. Die êzîdîschen Widerstandseinheiten Shingals (YBŞ) erklärten, dass sechs ihrer Stützpunkte getroffen wurden. Vier Kämpfer seien verletzt worden, es habe keine Todesopfer gegeben, heißt es in der Erklärung weiter. In der Region Makhmour bombardierte die Türkei nur wenige Meter von einem Flüchtlingslager entfernt vermeintliche Stellungen der PKK. Der Co-Bürgermeister Bedran Piran erklärte, dass mehrere Kinder aufgrund der Bombardements bewusstlos wurden und zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden mussten.

Êzîdîsche Organisationen und Persönlichkeiten verurteilten die Angriffe der Türkei. Die êzîdîsche Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad teilte mit, die Shingal-Region sei wieder „Kriegsgebiet“ und kritisierte die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft.

Einen Tag vor den türkischen Luftangriffen kehrten über 150 êzîdîsche Familien aus den Flüchtlingslagern im Nordirak in das nach wie vor in Trümmern liegende Shingal zurück. Fast sechs Jahre nach Beginn des Völkermordes haben viele Êzîden die Hoffnung aufgegeben, dass die Region wiederaufgebaut wird. Das Ausharren in den Flüchtlingslagern aber wurde zunehmend zur Zerreißprobe. Die türkischen Luftangriffe nehmen diesen Familien nun die letzte Hoffnung auf Frieden in ihrer Heimat.