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Prof. Dr. Dr. Ilhan Kizilhan

Von Prof. Dr. Dr. Ilhan Kizilhan

Vor zwei Wochen hat der ehemalige türkische Minister Zafer Çaglayan mit negativen Bemerkungen gegen Juden, Christen und  Zoroastrier auf sich aufmerksam gemacht. Schon im Vorfeld verbreitete der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unwahre und diffamierende Worte bezüglich der Zoroastrier. Erdogan versuchte damit  die Kurden und insbesondere die PKK als Zoroastrier zu „brandmarken“. Nach ihm ist der zoroastrische Glaube nämlich etwas sehr negatives und wertlos.

Wie sehr aber kennt die türkische Gesellschaft und ihre Politiker die Zoroastrier?

Meinem Kenntnisstand nach gibt es offiziell keine Zoroastrier in der Türkei. Die Zoroastrier haben zu keiner Zeit als Gruppe in der Türkei gelebt. An dieser Stelle erwähne ich nochmal, dass die Êzîden und die Zoroastrier nicht eine Religion sind und sowohl ihr Glaube als auch ihre Glaubenslehren sich unterscheiden. Der Zoroastrismus war bis zum Aufkommen des Islams im Iran die größte und offizielle Religion. In den kurdischen Gebieten, so etwa im Osten oder im Süden, waren die Zoroastrier kaum bis gar nicht vertreten. Ihre Feuer- und Religionszentren waren mehrheitlich im Osten des Irans angesiedelt. Aus vielerlei Gründen versuchen kurdische Nationalisten seit rund 50 Jahren bis heute ihre Nähe zum Zoroastrismus darzulegen oder behaupten, sie seien vor dem Islam Zoroastrier gewesen. Auch die intensive Forschung kann bis heute nicht beweisen, dass die Kurden vor dem Islam mehrheitlich Zoroastrier waren. Ohne Zweifel gab es auch kurdische Zoroastrier , die Mehrheit der Kurden gehörte aber Religionen wie dem Êzîdentum, Yarsan und anderen kleineren Religionen an, welche nicht mehr existieren. Beide Religion, das Êzîdentum und die Yarsan (Ahlî Haq), waren eins und trennten sich im Laufe der Geschichte. Den Zoroastrismus, das Êzîdentum und die Ahlî Haq verbindet die alte Religion des Mithraitismus. Die Soldaten Roms haben vor über zweitausend Jahren bei ihrem Marsch durch Kurdistan in den Iran, den Mithraitismus in das heutige Italien importiert. So wurde der Mithraitismus für einige Zeit zur herrschenden Religion in Europa. Aber das ist eine andere Geschichte….

Bis zum Jahr 622 n. Chr. lebten Millionen von Zoroastrier im Iran. Ihre Feuer- und Glaubenstempel können wir noch heute in Isfahan, Yazd, Täbriz und vielen anderen Städten im Iran finden. Heute leben rund 20.000 bis 30.000 Zoroastrier in der Umgebung der Stadt Yazd. In Indien leben über 150.000 Angehörige, in anderen Ländern 10.000 bis 20.000 Zoroastrier. Weltweit beläuft sich die Zahl der Zoroastrier demnach auf rund 200.000. Was für einen Grund sehen also die türkischen Politiker, diese Religion verbal anzugreifen? Kein einziger Zoroastrier hat bis heute einem Türken auch nur ein Haar gekrümmt. Ohne Zweifel haben die Zoroastrier in der Türkei weder eine Lobby noch Einfluss. Vielleicht meinen die türkischen Politiker mit ihren verbalen Angriffen gegen die Zoroastrier die Kurden?

Für diesen Artikel habe ich einige zoroastrische Forscherkollegen im Iran und in Indien kontaktiert und ihnen über die Diffamierung der Zoroastrier in der Türkei berichtet. Von diesen Vorfällen haben sie keine Kenntnis gehabt und waren über die Information erstaunt. Mehrfach fragte der Zoroastrier aus Indien hintereinander: „Was haben die Zoroastrier getan? Ohnehin gibt es doch keine Zoroastrier in der Türkei…Seit 1.400 Jahren sind wir ins Exil nach Indien geflüchtet, es ist eine Schande!“

Ich weiß nicht, was die Leserschaft denkt, aber nach den Gesprächen mit beiden befreundeten Zoroastrier habe ich mich nachträglich für Erdogan und Çaglayan geschämt.

So muss ich auf folgendes hinweisen: Wussten Sie, dass vor dem Zoroastrismus das Konzept von Glauben und Religion nicht verbreitet war? Der Prophet Zarathustra gab seinen Anhängern den Glauben und nannte das Konzept Daêna, später wurde daraus Dên und letztlich Dîn [Sprachfamilien übergreifende Bezeichnung für Religion im Nahen Osten, sowohl im arabischen als auch bei den iranischen Sprachen; Anm. d. Red.]. Die heutigen Religionen wie das Judentum, das Christentum und der Islam haben auf Grundlage dieses Konzeptes, auf dem Konzept Zarathustras, ihre Religionen gestiftet. Wenn man sich also ein wenig über die Zoroastrier und mit der Menschheitsgeschichte befasst, so ist man den Zoroastrier zu Dank verpflichtet.

Das Leitwort der Zoroastrier gut zu denken, gut zu sprechen und gute Taten zu tun, bekommt in der heutigen Zeit eine neue denkwürdige Bedeutung.

Übersetzung êzîdîPress, aus Prof. Dr. Dr. Ilhan Kizilhan in Rûdaw, Ausgabe 242 vom 27. März, Seite 13