Bagdad. Im neuen irakischen Parlament werden demnächst drei Êzîden für verschiedene Parteien vertreten sein. Nach der Veröffentlichung der amtlichen Endergebnisse am Freitagabend steht fest, dass neben dem Quotensitz für die êzîdîsche Minderheit künftig zwei weitere Sitze von Êzîden bekleidet werden. Dennoch ging erneut der Großteil der êzîdîschen Stimmen verloren – ein Desaster mit Ankündigung.

Während der Kandidat der Êzîdîschen Fortschrittspartei (ÊFP), Saib Khidir, den Quotensitz gewinnen konnte, zogen Khalida Khalil von der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) und Hussein Hassan Narmo von der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) über die Ninawa-Liste ihrer Parteien ins Parlament.

Die PDK gewann in der Ninawa-Ebene insgesamt sechs Sitze, ihre êzîdîsche Kandidatin Khalil war auf Listenplatz Nr. 4 gesetzt. Die PUK hingegen setzte ihren êzîdîschen Kandidaten Narmo auf Listenplatz Nr. 1 und ermöglichte so den Einzug des einzigen PUK-Kandidaten aus Ninawa in das irakische Parlament. Nicht mehr im Parlament vertreten werden die beiden bisherigen êzîdîsch-stämmigen Abgeordneten Vian Dakhil (PDK) und Haci Gundor (Islah) sein. Beide stellten sich nicht erneut zur Wahl.

Saib Khidir (li.), Khalida Khalil (mi.), Hussein Hassan Narmo (re.)

Mehrere êzîdîsche Parteien, darunter die von Heydar Shesho gegründete Demokratische Partei der Êzîden (PDÊ) sowie die Êzîdîsche Partei für Freiheit und Demokratie (PADÊ), gingen leer aus. Die Parteien konnten sich im Vorfeld der Wahlen auf keine gemeinsame Allianz verständigen. Kleineren Parteien ist der Einzug in das irakische Parlament ohne eine größere Allianz kaum möglich. Zehntausende Stimmen der Êzîden bleiben daher ohne Mandat.

Trotz zahlreicher Unstimmigkeiten bei der Wahl konnte sich die unter dem schiitischen Geistlichen Muqtadr as-Sadr geschmiedete Allianz bei den Wahlen als Sieger durchsetzen. Mit einem Bündnis von Islamisten, Kommunisten, Kurden (PDK), Nationalisten und Säkularen hat sich der as-Sadr-Block deutlich vor die Liste des bisherigen Ministerpräsidenten Abadi gesetzt, dessen Allianz nur auf dem dritten Platz landete.

Nach dem Völkermord in der Shingal-Region war die Hoffnung, vor allem aber die Notwendigkeit einer gemeinsamen êzîdîschen Allianz groß. Nicht zuletzt führte auch die fehlende politische Mitbestimmung der Êzîden zur Katastrophe im August 2014 – und dennoch wurden offenbar keine Lehren aus den Ereignissen gezogen. Ähnlich wie bei den Parlamentswahlen im Jahr 2014 haben sich erneut zu viele Êzîden als Kandidaten aufgestellt und so zu einer Zersplitterung der in der Ninawa-Ebene durchaus hohen Stimmkraft der Êzîden geführt.

Große Verliererin ist die êzîdîsche Kandidatin der PDK in der Provinz Duhok, Ronak Ali Yezdin. Die politisch bisher nie in Erscheinung getretene Tochter der bekannten Aktivisten Ali Yezdin sorgte mit ihrer Ankündigung, sie werde für die PDK kandidieren, für Unmut innerhalb der êzîdîschen Gemeinschaft. Für kaum jemanden wurde aber so stark geworben, wie für die Tochter der einflussreichen Familie. Die PDK konnte in Duhok zehn Sitze gewinnen, Ronak Yezdin stand jedoch auf Listenplatz 13. An ihrer Kandidatur wurde das ganze Dilemma des erneuten êzîdîschen Polit-Desaster deutlich. Zahlreiche êzîdîsche Stimmen wanderten zu den Listen der großen kurdischen Parteien, die sich aber so gut wie gar nicht in der Vertretung êzîdîscher Kandidaten wiederfinden.

Hohe Erwartungen werden hingegen an den êzîdîschen Abgeordneten Saib Khidir gesetzt. Der aus der Gemeinde Bashiqa stammende Êzîde arbeitet seit Jahren in politischer Funktion in Bagdad, gilt als Polit-Experte und verfügt über gute Beziehungen. Er soll die Scherben misslungener êzîdîscher Politik in Bagdad aufsammeln und die Repräsentation der Êzîden stärken. Ohne Werben für größere Unterstützung wird aber auch Khidir nicht mehr als Akzente setzen können. Die meisten Êzîden hingegen haben die Hoffnung auf eine Zukunft im Irak längst begraben. Zu unsicher sind die Perspektiven, zu brüchig der Frieden, zu groß die Gefahr von plötzlich neu aufflammenden Konflikten und Kriegen, bei denen die Minderheiten immer wieder ins Kreuzfeuer geraten.

© ÊzîdîPress, 19. Mai 2018