Nadia Murad ist derzeit in Israel, um auf den Völkermord an den Êzîden aufmerksam zu machen

Tel Aviv. Die êzîdîsche Menschenrechtsaktivistin und UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad befindet sich zurzeit in Israel, um dort auf den anhaltenden Völkermord an den Êzîden aufmerksam zu machen. Es ist der erste Besuch der Êzîden in einem Land, von dem die Êzîden sich vor allem Verständnis für ihre Situation erhoffen. „Wir denken unser Fall ähnelt dem, was [die Juden] im Holocaust durchgemacht haben. Es ist das, was uns gerade widerfährt“, erklärt Murad in einem Interview mit The Jerusalem Post. In der Knesset, dem israelischen Parlament, soll am Montag an den Völkermord erinnert werden.

Die Juden, so Murad, seien ein Beispiel für die Êzîden. „Wir glauben, dass Sie uns besser verstehen als jeder andere. Wir waren in vielen Ländern, haben viele Regierungen getroffen und um Hilfe für die êzîdîsche Gemeinschaft gebeten. Ich wollte immer nach Israel kommen, viele der Opfer wollten hierher und die Regierung und die Menschen um Hilfe fragen“. Der Überlebenswille der Juden nach dem Holocaust sei ein leuchtendes Beispiel für die Êzîden, so Murad weiter.

In Israel besuchte die Êzîdin unter anderem das Holocaust-Mahnmal Yad Vashem und hielt unter anderem eine Rede im Beit Hatfutsot Museum in Tel Aviv. Wenige Tage vor dem dritten Jahrestag des Genozids an den Êzîden am 3. August, sucht Murad in Israel nach Antworten, wie die êzîdîsche Gemeinschaft sich nach einer solchen Zerstörung wieder regenerieren kann. Dabei helfen soll die jüdische Geschichte, aus der man lernen möchte, erklärt Murad.

In Australien habe sie mit einer Holocaust-Überlebenden, der Großmutter der Genozid-Wissenschaftlerin Nikki Marczak vom Australian Institute for Holocaust and Genocide Studies (AIHGS), gesprochen. „In Australien hat mich Nikki während meiner Tour ihrer Großmutter vorgestellt, um ihre Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit, ihre Gemeinschaft von neuem aufzubauen, zu sehen. Ihre Fähigkeit, stark zu bleiben und ihre Kultur zu erhalten…es ist ein Beispiel. Ich habe mich in diese Ideen verliebt. Die Juden sind ein Vorbild. Wir sollten dasselbe tun“.

Die israelische Hilfsorganisation IsraAid unterstützt seit Jahren die Initiative Murads und êzîdîsche Flüchtlinge und half dabei, Murads Reise in Israel zu ermöglichen. Yotam Polizer, Co-Vorsitzender von IsraAid, erzählt von einer Begegnung mit êzîdîschen Flüchtlingen in Griechenland, die ihn baten, sie nach Israel zu bringen. Polizer vermutete, das Interesse an Israel sei finanzieller Natur, womit er jedoch falsch lag. „Wir wollen nicht euer Geld, wir wollen euch als Mentoren“, sei er von den Flüchtlingen korrigiert worden. „Wir sind keine religiöse Organisation, aber wir werden von den jüdischen Werten geleitet und auch wir haben diese spezielle Verbindung zwischen dem jüdischen und dem êzîdîschen Volk vorgefunden“, so Polizer.

Vor rund drei Jahren, am 3. August 2014, verübte die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) einen Völkermord an der Zivilbevölkerung in der Shingal-Region im Nordirak. Nachdem die zur Verteidigung der Êzîden abgestellten 11.000 Peshmerga und ihre Kommandanten noch in der selben Nacht davonrannten, massakrierten die IS-Schergen in den kommenden Tagen tausende ÊzîdInnen, entführten bis zu 7.000 Frauen und Mädchen und zwangen sie in die Sklaverei. Die UN, das Europäische Parlament sowie eine Reihe von Staaten haben die Verbrechen an den Êzîden als Völkermord anerkannt. Dennoch befindet sich bis heute der Großteil der Êzîden auf der Flucht, Tausende sind traumatisiert und bis zu 2.500 ÊzîdInnen noch immer in Gefangenschaft. Auch deshalb ist das Engagements Murads unerlässlich.

© ÊzîdîPress, 24. Juli 2017