Cercûr Cemîl, ehemaliger FKÊ Vorsitzender | © Cercûr Cemîl
Cercûr Cemîl, ehemaliger FKÊ Vorsitzender | © Cercûr Cemîl

Die Föderation Ezidischer Kurden (FEK) hält am kommenden Sonntag, den 8. Juni 2014, ihren 9. Kongress ab. Indes offenbart Cercûr Cemîl, ehemaliger Vorsitzender der FEK und Initiator des Fernsehsenders Çira TV, seine Forderungen für den Tag. Er selbst befindet sich zum Zeitpunkt des Kongresses »wegen wichtiger Aufgaben, die die Organisation betreffen, in der Heimat«.

Im Diskussionspapier kritisiert Cemîl, dass die FEK, die sich 1993 als Tochterorganisation der im selben Jahr in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) mit dem Namen Yekîtiya Êzdiyên Kurdistan gegründet hat, an Einfluss innerhalb der êzîdîschen Gesellschaft verloren hat. Schuld an dieser Entwicklung sei ein Paradigmenwechsel innerhalb der Organisation, der eine stärkere Trennung zwischen politischer und religiöser Arbeit vorsah. So konstatiert Cemîl:

Diejenigen, die gegen die Lehre Zarathustras kämpfen, kämpfen gegen den großen Führer Apo. […] Wenn sich die kurdischen Êzîden von der Lehre Zarathustras trennen, trennen sie sich zugleich vom Kurdentum. [Übersetzung aus d. Kurmancî.; Anm. d. Verf.]

Ferner formuliert Cemîl 14 Beschlussvorschläge für den Kongress, von denen wir die Wichtigsten im Folgenden auflisten:

1.)  Die FEK soll sich ihrem anfänglichen Organisationsnamen gemäß in Yekitiya Êzdiyên Kurdistan (YÊK) umbenennen.
2.)   Diejenigen, die keine patriotischen Kurden sind, sollen nicht Mitglied der  FEK werden können. […]
11.) Die finanzielle Unterstützung von Cira TV innerhalb der êzîdîschen Gesellschaft soll gestärkt werden. [Übersetzung aus d. Kurmancî.; Anm. d.   Verf.]

Die Forderungen Cemîls offenbaren einen lange währenden Machtkampf innerhalb der FEK, der um die strategische (Neu-) Orientierung der Organisation kreist. So fürchten konservative Kräfte bei einer möglichen Emanzipation der Organisation von der Mutterpartei und einer dazugehörigen Abkehr vom Zarathustra-Kult, es sich bei den mehrheitlich muslimischen ParteigenosInnen »zu verscherzen«. Nicht zuletzt war es die propagandistische Konstruktion des kurdischen Nationalismus, die Êzîden als »letzte Zarathustrier« und Bewahrer kurdischen Kulturguts zu betiteln, die es ihnen verhalf, erstmals innerhalb der kurdischen Gesellschaft Anerkennung zu finden. Natürlich will man sich auch eine zukünftige Parteikarriere nicht verbauen, indem das mühsam aufgebaute Konstrukt eines kurdischen Selbstverständnisses »über Bord geworfen wird«.

Reformistische Kräfte in der Organisation fürchten hingegen, weiterhin an Einfluss innerhalb der immer aufgeklärteren êzîdîschen Jugend zu verlieren. Demgemäß sind die Forderungen Cemîls nicht bloß eine Offenlegung seiner politischen Vorstellungen von der Arbeit eines êzîdîschen Dachverbands. Nicht minder wenig sind sie Ausdruck eines geschwächten Selbstbewusstseins, das in einer Nostalgie für die 1990er Jahre schwelgt, einer Zeit, in der es der Föderation Êzîdîscher Kurden mit ihrem gigantischen Propagandaapparat beinahe möglich war, eine 4.000 Jahre alte Religionsgemeinschaft zu Zarathustriern und die einflussreichste Person der êzîdîschen Geschichte, Sheikh Adi, zu einem Häretiker zu erklären.

Der 9. Kongress der Föderation Ezidischer Kurden stellt eine Wegmarke für die Zukunft der 100.000 in der europäischen Diaspora lebenden Êzîdinnen und Êzîden dar. Er wird darüber entscheiden, ob am paternalistischen Modell einer Tochterorganisation der PKK festgehalten wird oder die Weichen für eine politisch unabhängige, den êzîdîschen Interessen dienliche Organisation gelegt werden.

Das vollständige Diskussionspapier mit dem Titel Gotin û kirin ji hev dûrin, zu Deutsch Worte und Taten sind sich fern findet sich hier: Persönliche Homepage von Cercûr Cemîl / als PDF 

Das Redaktionsteam von ÊzîdiPress wünscht der Föderation Ezidischer Kurden auf ihrem 9. Kongress am 8. Juni diesen Jahres viel Erfolg.

êzîdîPress, 06.06.2014