Êzîdîsche Widerstandskämpfer der HPŞ in Shingal
Êzîdîsche Widerstandskämpfer der HPŞ in Shingal

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[D]uhok. Der Präsident der Autonomen Region Kurdistan (KRG), Mesud Barzani, hat sich in einer öffentlichen Stellungnahme zur Verhaftung des êzîdîschen HPŞ-Oberkommandeurs Heydar Shesho zu Wort gemeldet. Derweil spitzt sich die Situation um die Freilassung weiter zu. Angehörige von Heydar Shesho erklärten ÊzîdîPress gegenüber, dass trotz einer gestern beschlossenen Vereinbarung der Oberkommandeur weiterhin festgehalten wird. Der Vorfall belastet das ohnehin zerrüttete Verhältnis zwischen den Êzîden und der kurdischen Regierung schwer.

Êzîdîsche Widerstandsflagge während einer Demonstration in Berlin (ÊP)
Êzîdîsche Widerstandsflagge während einer Demonstration in Berlin (ÊP)

KRG-Präsident Barzanî erklärte, dass die kurdische Regierung nicht bereit sei, eine andere als die kurdische Flagge zu akzeptieren. Zudem erlaubt man keine Widerstandseinheit, die nicht dem Peshmerga-Ministerium untersteht. Nach eigenen Angaben habe das Peshmerga-Ministerium allen Einheiten in Shingal angeboten, sich ihnen zu unterstellen, was Heydar Shesho jedoch zunächst ablehnte. Heydar Shesho erklärte bereits vor Monaten, dass man generell bereit sei, sich dem Peshmerga-Ministerium anzugliedern, nicht aber auf die Bezeichnung der Einheit und die offizielle Flagge der Einheit verzichten werde. KRG-Präsident Barzanî spricht von einem „Plan“ der HPŞ, die in Shingal eine „andere Streitkraft“, eine „andere Flagge“ und „andere Ziele“ etabliere bzw. verfolge als die kurdische Regierung und vollkommen unabhängig von ihr agiere. Dabei hatte Shesho immer wieder erklärt, dass die Einheit ebenso Kurdistan verteidige, allerdings nicht bereit sei, sich den PDK-Parteimilizen der Peshmerga zu unterwerfen, die die Êzîden im Stich gelassen hatten.

Die Flagge der HPŞ-Einheit ist für viele Êzîden seit der Aufnahme des bewaffneten Kampfes zum besonderern Sybmol geworden. Für sie verkörpert die Flagge ihren Widerstand gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“, als 10.000 Peshmerga der kurdischen Regierung aus der Shingal-Region flüchteten und die êzîdîsche Zivilbevölkerung ihrem Schicksal überließen. Die Êzîden haben das Vertrauen in die kurdische Regierung und in die Peshmerga-Truppen verloren. Seit Wochen geht die kurdische Regierung gegen êzîdîsche Demonstranten, Aktivisten und Widerstandskämpfer der HPŞ vor und verhaftete bisher über 130 Êzîden.

Von kurdischen Sicherheitskräften festgenommen. Oberkommandeur Heydar Shesho
Von kurdischen Sicherheitskräften festgenommen. Oberkommandeur Heydar Shesho

HPŞ-Führer erklärten, dass mit der Festnahme von Heydar Shesho die HPŞ-Einheit unter Druck gesetzt werden soll.Eine Vereinbarung zwischen der PDK-Regierungspartei Mesud Barzanis und der Partei PUK, die gestern getroffen wurde, sah vor, dass der êzîdîsche Oberkommandeur Heydar Shesho heute freigelassen wird. Auch der deutsche Generalkonsul in Erbil schaltet sich in dem Fall ein und verlangte die Freilassung des Oberkommandeurs, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Der Fall belastet das Ansehen der kurdischen Regierung, die im Kampf gegen die Terrormiliz IS viel internationale Solidarität genießt. Das deutsche Konsulat habe „in diplomatischer Manier erkennen lassen, dass die deutsche Regierung ihr militärisches Engagement überdenken werde“, erklärte eine ÊP-Quelle, die namentlich nicht genannt werden möchte.

Korrespondenten berichten weiter, dass sich die Situation in der kurdischen Stadt Silemaniya, einer Hochburg der PUK, immer weiter zuspitzt. Die kurdische Regierung wirft Heydar Shesho vor, ohne ihre Zustimmung eine „illegitime Miliz“ im „Hoheitsgebiet Kurdistans“ gegründet zu haben, die von der irakischen Zentralregierung finanziert wird. Shingal, das Operationsgebiet der HPŞ, gehört trotz seines umstrittenen Status weiterhin offiziell zum irakischen Staatsterritorium und liegt damit außerhalb des KRG-Gebietes. Die Verhaftung von Heydar Shesho entbehrt damit jeglicher rechtlicher Grundlage.

Die kurdische Regierung selbst empfängt monatlich Gelder in Millionenhöhe aus Bagdad und unterzeichnete eine Erklärung der irakischen Regierung zur Finanzierung von Bürgerwehren mit – einschließlich die Vereinbarung zur Gründung der “Heshd el-Shabi”, der schiitischen Milizen, zu denen die HPŞ pro forma gerechnet wird. Mesud Barzani bezichtigt Heydar Shesho somit indirekt des Hochverrats. Die PUK-Partei, deren langjähriger Funktionär Heydar Shesho war, sprach hingegen von einem „Verrat“ der Regierung an Êzîden und forderte die sofortige Freilassung.

Seit Tagen üben PUK-Funktionäre Druck auf die Regierung aus und drohen Informationen zufolge auch damit, Mitglieder der PDK-Regierungspartei in Silemaniya festzunehmen. Die Gesamtsituation bleibt auch wegen des Gefahrenpotenzials bisher unübersichtlich.

Die HPŞ-Einheit verfügt nach eigenen Angaben über 3.000 Widerstandskämpfer, von denen rund 1.000 offiziell bei der irakischen Zentralregierung registriert sind und von der sie militärisch und finanziell unterstützt werden. Heydar Shesho ist ehemaliger Abgeordnete des irakischen Parlaments für die Kurdistan Allianz (PDK und PUK) und inaktives Mitglied der Patriotischen Union Kurdistans (PUK).

© ÊzîdîPress, 8. April 2015