Bagdad. Iraks Staatspräsident Barham Salih hat in einem am Sonntag veröffentlichten Gesetzentwurf einen umfassenden Forderungskatalog zur Unterstützung befreiter êzîdîscher Frauen aufgestellt. Die vom „Islamischen Staat“ (IS) versklavten und befreiten Frauen sollen sowohl Finanzhilfen von staatlichen Stellen erhalten, als auch bei der Unterbringung und der Jobsuche bevorzugt werden. Zudem soll der Tag des Völkermordes an den Êzîden, der 3. August, zum jährlichen Genozid-Gedenktag erklärt werden. Der Gesetzentwurf soll den êzîdîschen Frauen, die die IS-Sklaverei überlebt haben, eine Rückkehr ins Leben erleichtern, heißt es in der Pressemitteilung des Präsidenten.

Weiterhin soll eine dem Ministerrat unterstehende aber in der Ninawa-Provinz ansässige Generaldirektion errichtet werden, die sich der Belange der weiblichen Überlebenden annehmen solle. Die Direktion soll eine Statistik über die Zahl der weiblichen Überlebenden anlegen, für eine notwendige Betreuung sorgen und ihnen eine sichere Unterkunft zur Verfügung stellen. Mit der Errichtung von Gesundheitszentren und Kliniken sollen die Frauen auch psychologische Hilfe erhalten. Den Frauen soll der Zugang zu einer Beschäftigung erleichtert und ihren Kindern privilegierte Bildungschancen zugesichert  werden.

Die Direktion soll zudem über den Status von Kindern entscheiden, die in Folge von Vergewaltigungen an êzîdîschen Frauen in IS-Gefangenschaft geboren wurden. Nach bisherigem irakischen Recht werden die Kinder nach der Religion ihres Vaters registriert und würden demnach als Muslime gelten. Dies könnte sich auf Wunsch der Kindesmutter hin nun mit dem vorgelegten Gesetzentwurf ändern.

Der Entwurf wurde bereits am 28. März dieses Jahres dem Repräsentantenrat zur Abstimmung vorgelegt. Ob dieser den Entwurf in seiner jetzigen Form verabschiedet, bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit hatten sich die mehrheitlich muslimischen Parlamentsabgeordneten wiederholt gegen ähnliche Vorhaben entschieden und mehrere Versuche zur Entschädigung êzîdîscher Opfer torpediert. Nur unter erhöhter Anstrengung gelang es êzîdîschen Aktivisten in der Vergangenheit, das irakische Parlament von bisher geringen und teils einmaligen Finanzhilfen zu überzeugen.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen die weiblichen Überlebenden mindestens das Zweifache der im Rentengesetz von 2014 festgelegten Mindestrente für Überlebende von Gewaltverbrechen erhalten. Außerdem soll ihnen ein Stück Grundbesitz zugesichert werden. Êzîdîsche Mädchen und Frauen, die vor ihrer Entführung an einer Universität studierten, soll die Rückkehr ins Studium etwa durch den Wegfall von Altersgrenzen und Ähnlichem erneut ermöglicht werden. Bei der Besetzung öffentlicher Stellen sollen diese dann bevorzugt eingestellt werden, heißt es in der Mitteilung des irakischen Präsidenten.

Zuständigen Behörden, unter anderem das Kulturministerium, sollen für den 3. August jährliche Gedenkveranstaltungen initiieren und an die Verbrechen insbesondere gegen die êzîdîschen Frauen erinnern.

Der kurdisch-stämmige irakische Präsident Salih fordert in seinem Entwurf außerdem, dass Täter, die an Völkermordverbrechen gegen die Êzîden beteiligt gewesen waren, von einer allgemeinen oder einer besonderen Generalamnestie ausgenommen werden sollen. Die staatlichen Strafermittlungsbehörden seien in der Pflicht, diese Täter nach den Gesetzen des Iraks zu verfolgen und zu bestrafen.

Weder das irakische Militär noch die kurdischen Peshmerga waren am 3. August 2014 Willens, die êzîdîsche Zivilbevölkerung in Shingal gegen den Ansturm der IS-Terrormiliz zu verteidigen. In den Morgenstunden des 3. August flüchteten rund 8.000 Peshmerga ohne Vorwarnung oder Evakuierung der Menschen aus der Shingal-Region und überließen hunderttausende Êzîden ihrem Schicksal. Zuvor floh auch das irakische Militär aus der Region.

In der Folge wurden über 400.000 Êzîden aus ihrer Heimat vertrieben, viele verdursteten oder starben an Erschöpfung auf dem von IS-Kämpfern umstellten Gebirge. Bis zu 7.000 Frauen und Kinder der Êzîden wurden entführt, versklavt und systematischer Vergewaltigungen ausgesetzt. Die UN erklärten in mehreren Berichten, die Verbrechen gegen die Êzîden erfüllten sämtliche Völkermordtatbestände.